Dezember 04, 2012

EINE GEDICHTSAMMLUNG DER ETWAS ANDEREN ART


Die Friesische Teekanne oder Der Wettkampf der fünf Dichter

„Die Friesische Teekanne" lässt sich gleichzeitig als Theaterstück und als Gedichtsammlung lesen. Dieses besondere Buch mit ausdrucksstarken schwarz-weiß Zeichnungen vereint charmante Lyrik mit einer abwechslungsreichen Rahmengeschichte. In einem Dichterwettbewerb treten fünf friesische Freunde gegeneinander an, um eine am Strand gefundene Kanne zu gewinnen. Alle haben ihre besonderen Hintergründe, Eigenarten und Wesenszüge, die sie in die Verse, Vorträge und Dialoge einbringen. So entfaltet sich ein ganzer Bilderbogen rund um das Meer, die Friesen und natürlich den Tee. Das Bühnenstück wurde im Dezember 2011 in der Hamburger Kammeroper mit großem Erfolg uraufgeführt.

Die Friesische Teekanne
EIN LYRISCHES REIGENSPIEL VON TEE, DEM MEER UND DEM FRIESISCHEN WESEN

„Als Friesen sind wir frei! Doch führt am Teevergnügen nun mal kein Weg vorbei!" Mit diesen Worten wird der poetische Wettbewerb zwischen den Dichtern – zwei Frauen und drei Männern – in einem kleinen Teehaus direkt am Nordseedeich eingeleitet. Das Preisgericht sind sie selbst. Der Preis ist eine alte Teekanne, die sie erst kürzlich im Watt gefunden haben. Dies ist der Startschuss einer gemütlichen, aber auch ehrgeizigen Poetenrunde zwischen Freunden, die das freie Leben am Meer, das Dichten und natürlich den Friesentee lieben. Angefeuert werden sie von der Wirtin und verhöhnt von dem wortwitzigen Küchenjungen. Getragen werden die Gedichte und der Wettstreit von Tiefe, Komik und Tragik und verlassen dabei nie die Verbindung zur liebenswerten, friesisch-herben Mentalität.


DER AUTOR
Der in Hamburg geborene Jurist und Pionier der umweltbewussten Unternehmensführung Dr. Georg Winter (Deutscher Umweltpreis 1995) ist längst auch ein bekannter Lyrik-Autor und Sprechkünstler. Er veröffentlichte 1986 den Gedichtband „Der Trödelbarde“, rezensiert von Benno von Wiese in der Frankfurter Anthologie der FAZ, herausgegeben von Marcel Reich-Ranicki (elfter Band 1988). Im Jahr 2007 erschien „Der Trödelbarde“, gelesen von Uwe Friedrichsen als Hörbuch bei Random House.

Dr. Winter erfand den „Sprechsport“ und zeigte in zahlreichen Fernsehauftritten, wie sich die Lust am Sprechen und die Ausdruckskraft des Sprechens mit Methoden des Sportes steigern lassen. So wurde er 2006 mit selbst geschriebenen Zungenbrecher-Gedichten, die er in Höchstgeschwindigkeit rezitierte, Wettkönig der ZDF Show „Wetten, dass…?“. Eine Sammlung von Zungenbrecher-Gedichten erschien als CD (Random House) sowie als Buch (Goldmann). Er führte Sprechsport-Meisterschaften für Schulen durch und veröffentlichte 2011 gemeinsam mit Dagmar Puchalla das Grundlagenbuch „Sprechsport“.

Oktober 04, 2012

Mehr als ein Viertel

Ansichten und Absichten aus dem Hamburger Gängeviertel 

Mehr als ein Viertel
Es war die erste erfolgreiche Hausbesetzung in Hamburg seit Jahrzehnten: Im August 2009 enterten 200 Künstler und politisch Aktive die Reste des historischen Gängeviertels in der Hamburger Innenstadt - um es vor dem Abriss durch einen Investor zu retten.

Unter dem Druck der Verhältnisse mussten die Besetzer sich schnell professionalisieren und Strukturen aufbauen, die das Projekt tragen und weiter entwickeln. Seit mehr als drei Jahren arbeiten die Aktiven nun emsig daran, hier einen innerstädtischen Raum für Kunst, Kultur und Politik zu schaffen. Es geht ihnen nicht nur um die eigenen vier Wände - sie fordern ein „Recht auf Stadt“ für alle. Zehntausende Besucher aus aller Welt haben inzwischen in den Häusern des Gängeviertels Ausstellungen gesehen, Konzerte gehört, Partys gefeiert oder darüber diskutiert, wie sie sich ein Leben unter Freien und Gleichen vorstellen. 

Das jetzt erschienene Buch "Mehr als ein Viertel" beschreibt die Entwicklung dieses "Hamburg-Wunders" – wie DIE ZEIT damals formulierte. In dem Buch kommen die Aktiven selber zu Wort. Sie lassen den Leser teilhaben an den Vorbereitung und dem Tag der Besetzung, an den mühsamen Verhandlungen mit der Stadt, der Gründung ihrer Genossenschaft und wie sie die Kunst als politische Waffe eingesetzt haben. Das Buch gibt einen einzigartigen Einblick in die „temporäre autonome Zone“ Gängeviertel. Es ist lebendig, überraschend, experimentierfreudig und politisch.

Mehr zum Buch finden Sie unter: Gängeviertel e.G.

Februar 20, 2012

An die Arbeit, Ihr Dilettanten und Amateure!

Alexander Rosenbaum
Ein Aufruf zum Selbstmachen. 
Die meisten Selbste werden heute mit großer Begeisterung und großem Enthusiasmus immer noch selbst gemacht. Es gibt gute Gründe, es dabei auch zu belassen, selbst wenn manche Humangenetiker hier Optimierungspotentiale vermuten.

Ist ein kleines Selbst erst einmal auf der Welt, fängt es sofort an zu schreien und wir werden seiner nur noch mit Mühe Herr. Alles will es AUCH und selber machen. Und die Welt antwortet ihm: „Nicht anfassen. Du machst alles kaputt!“ Oder sagt wohlmeinend: „Komm, ich helfe Dir!“ Kluge Kinder schmeißen sich dann auf die Erde, kratzen, beißen und treten ihren Wohltätern vors Schienbein. Dies wird aber nur selten richtig gedeutet.

Wenn in unserer hocharbeitsteiligen, komplexen und global vernetzten Welt von „Selbst Machen“ die Rede ist, denken viele an den Baumarkt oder Marmelade kochen, während den Profis und Experten sofort „Pfusch“ einfällt. Wir haben nicht nur ein gestörtes Verhältnis zum SELBST-Machen, wir haben vor allem ein reichlich gestörtes Verhältnis zum „MACHEN“.

Oh schönes Selbst!
Während es heute so ist, dass unser Bildungswesen die jungen Menschen gar nicht schnell genug dem Zweck der „employability“ zuführen kann und in immer kürzeren Studienzeiten -Experten aller Art züchtet, gab es früher gute Gründe, sich mit der Ausbildung ein wenig mehr Zeit zu lassen und Mühe zu geben .

In der Antike war es die edelste Pflicht eines freien Bürgers, der res publica zu dienen und sein Selbst selber zu Vervollkommnen. Neben dem Kriegshandwerk standen auch andere Künste hoch im Kurs. Es stand jedem noblem Griechen gut zu Gesicht, in diversen Künsten zu dilettieren. Wobei die kleinliche Frage danach, welche Künste standesgemäß sind, selbst große Geister immer wieder sehr bewegte. In der Hierarchie der Künste stand das „rein geistige“ ganz oben. Bei den angewandten Künsten hörte der Spaß dort auf, wo die Anstrengung anfing. Kein griechischer Aristokrat konnte es sich leisten, den Eindruck zu erwecken, er habe es nötig etwas selber zu machen. Echte Amateure und Dilettanten waren auch damals nur diejenigen, die sich einer Kunst hingaben, ohne einen schnöden Zweck zu verfolgen.

Auch in der Renaissance und in der Aufklärung wollte man es nicht so engspurig angehen. Denn niemand sollte hinter seinen Möglichkeiten zurückbleiben sondern ein möglichst vollständiger und vollkommener Mensch werden. Das Leben am Hof der Fürsten unterlag sehr interessanten Regeln, die uns glücklicherweise übermittelt wurden. Wir verdanken es dem „Handbuch für Höflinge“, das Baldassare Castigliones 1528 veröffentlichte und als einziges Werk hinterließ, dass wir uns heute noch ein Bild davon machen können, was ein aufstrebender Aristokrat alles können musste, damit das Auge seines Herrn voller Wohlwollen auf ihm ruhte. Neben zwingend erforderlichen Hauptkompetenzen - wie umfassender Gelehrsamkeit, perfekter Beherrschung des Kriegshandwerks, außergewöhnlichem Mut und bedingungsloser Treue - war es damals sehr angesagt, auch noch in Nebenrollen zu brillieren. "Dazu gehörten Konversation, Dichten, Tanz und musikalische Übungen. Dem Höfling wurde Raffinesse bei der Kommunikation seiner zahllosen Vorzüge nahe gelegt. Man möge doch bitte jeden Anschein von Anstrengung bei der Zurschaustellung der eigenen Kunstfertigkeiten vermeiden, denn wahre Kunst sei nur dort zu finden, wo man die Kunst nicht sehe. Besser man vollführe seine Kunststückchen ganz beiläufig. So entstehe der Eindruck, dass einer, der Schweres mit so geringer Mühe zustande bringe, weit Größeres leisten könne, wenn er nur  echten Eifer und echten Fleiß an den Tag lege". (Zitiert nach Dr. Alexander Rosenbaum, Der Amateur als Künstler, S. 26 ff.)  Die wahre Kunst des Höflings bestand nicht in der Erlangung wahrer Virtuosität, sondern im Andeuten von Fähigkeiten.

Politik als Kunst des Andeutens von Fähigkeiten
Nicht alle Herrscher der Weltgeschichte übertrieben es mit dem Wunsch, alles selbst zu machen. Schauen wir uns einmal das Gute an, das mit dem Dilettieren auch gemeint war. Jahrhunderte lang war es die vornehmste Aufgabe des Herrschers, seinem Volk und seinen Höflingen in allen Künsten „voranzugehen“. Spätestens seit der Renaissance war das Dilettieren an den Höfen Europas mindestens üblich. Es wurde getanzt, gemalt, gesungen, gezeichnet, gedrechselt und Gebäude entworfen. Auch das Selbermachen kam sehr in Mode. Selbst gemalte, selbst gedichtete und selbst geschriebene Liebesbeweise galten als ungleich galanter, als alles was man kaufen konnte.

Auch wenn die vielen Könige, Herzöge und Grafen selbstverständlich nicht wirklich alles gleich gut konnten, so muss man ihnen doch zu Gute halten, dass sie wenigstens versuchten, ihren „Untertanen“ ein gutes Beispiel dafür zu sein, wozu ein umfassend gebildeter Mensch in der Welt alles taugt. Friedrich August I von Sachsen konnte… Friedrich II konnte...

Es darf uns auch ruhig ein wenig wehmütig stimmen, dass ambitionierte Herrscher sich früher bemühten, ihr Volk mit einem doch sehr breit und ambitionierten Repertoire an Künsten aller Art zu erfreuen und so gut es geht als Vorbilder zu leben und vorbildlich zu dilettieren. Und wie gingen wir, das Volk damit um? Nun, auch das Volk hatte Zeit zu dilettieren – aber erst nachdem alle notwendigen Arbeiten erledigt waren. Viele Künste waren ihm jenseits der Notwendigkeit der Mühe Wert. So etwas nennt man heute Volkskunst und die Museen sind voll davon.

Wo die Arbeit anfängt hört der Spaß auf
Wir haben es vor allem dem Protestantismus und dem Kapitalismus zu verdanken, dass das Dilettieren so übel in Verruf kam. Was Spaß macht kann keine Arbeit sein – und wenn’s Arbeit ist, kann es keinen Spaß machen! Erst der Schweiß heiligt die Mittel und Werkzeuge. Und wer nicht ARBEITET soll auch nichts Essen und bekommt deshalb HARTZ IV und kein Grundeinkommen.

Die Beziehung zwischen Amateuren und Profis war schon immer etwas angespannt. Wofür man Verständnis entwickeln kann, wenn man sich in die Lage eines ehrlichen Drechslermeisters versetzt, der im 16. Jahrhundert Maximilian I von Habsburg dabei hilft, an der programmierten Drehbank solange Elfenbeinrohlinge zu zerschroten, bis endlich ein vorzeigbarer Kandelaber dabei herauskam. [Das Drechseln galt lange Zeit als ein Probates Mittel gegen Melancholie.] Man stelle sich bitte vor, wie der Drechsler noch am Ende ehrliche Begeisterung zeigen musste, wenn endlich auch das Drechseln von Erfolg gekrönt war. Die nicht unbegabten Werke des königlichen Gedrechsels kann man heute noch in der Dresdner Kunstkammer besichtigen.

Womit wir beim Kern der Animositäten sind: Während der Amateur/Dilettant wegen des Vergnügen, die Kunst um ihrer Selbst willen ausübt, denkt sich der Profi und Experte – der von seiner Kunst leben muss und die Anerkennung seiner Profession fürs Überleben braucht: „Das muss man sich erst mal leisten können! Ich kann es mir jedenfalls nicht leisten.“ Womit sich die Frage stellt: Was würde er tun, wenn er es sich leisten könnte? Würde er dann endlich das tun, was er wirklich will? Oder würde er seine Arbeit aus purem Vergnügen machen und zum anerkannten Dilettanten werden?

Dass beim Profi der Spaß aufhört, wenn’s dem Amateur erst richtig anfängt Spaß zu machen, dafür ist die Beziehung zwischen dem Handwerk und dem Kunsthandwerk ein wunderbares Beispiel. Spätestens seitdem der Kunsthandwerkermarkt erfunden wurde, leidet das Handwerk so sehr unter diesem Begriff, dass man sich immer wieder auf die Suche nach einer anderen Bezeichnung machen musste, um sich als Nicht-Kunsthandwerker zu profilieren. Die letzte große Makramee-Welle, ausgelöst von einschlägigen Fachzeitschriften und dem Deutschen Hausfrauenbund, hätte die Existenz tausender wahre Unikat-Designer und „angewandter - Künstler“ bzw. begnadeter Meister-Designer fast vernichtet!

Vor dem Hintergrund unserer Verantwortung für die Zukunft und der Frage: „Was sollte für die Erlangung beruflicher Handlungsfähigkeit gelernt und gekonnt werden?“ dient als gute Anregung und Orientierung die im Gebr. Mann Verlag erschiene Publikation 
Der Amateur als Künstler – Studien zu Geschichte und Funktion des Dilettantismus im 18. Jahrhundert“ von Dr. Alexander Rosenbaum