September 19, 2008

GPM Klausur - Architektur im Dialog


Mit sich selber

Das Abaton war ausverkauft. Schon um Uhr 18.30 gab es keine Karte mehr für eine Vorstellung, die um 20.00 beginnen würde. Auf dem Programm stand die Sondervorstellung „GMP Klausur – Architektur im Dialog“. Die Dame an der Kasse entschuldigt sich. Die Gästeliste sei so lang gewesen. Es waren nur wenige Karten im freien Verkauf. Gerkan und sein Partner Marg, Sterne am hamburgischen Architekturhimmel, die weltweit leuchten, würden an diesem Abend persönlich erscheinen. Kein Wunder, dass viele Besucher enttäuscht abzogen. Wer Glück hatte und eine der wenigen frei verkäuflichen Karten erwischt hatte, bekam über eine Stunde GMP Architektur auf die Augen und auf die Ohren. Manchmal auch „dialogisch“. GMP diskutiert mit GMP über GMP. Dokumentiert wurde ein „Klausurtagung“ zu der sich die GMP Partner auf Mallorca zurückgezogen hatten. Das Ambiente war, wie es der gebildete Europäer von heute liebt: alte Mauern, umgeben von Kultur und Geschichte auf hohem Niveau: mit Swimmingpool und Poggenpohlküche.

Der Film macht uns – sehr dosiert und bewusst in Szene gesetzt - zu Zeitzeugen dieses Meetings: GPM-Partner bewerten GPM Gebäude, diskutieren und bewerten. Immer auf der Suche nach dem gemeinsamen Nenner. Was ist GMP? Für was steht GMP? Aus Unternehmerischer Sicht ging es um die Marke und um das damit verbundene Alleinstellungsmerkmal für den internationalen Architekturmarkt.

Dass es sich also weniger um Film oder Kunst als um eine PR Veranstaltung für GMP handelte, dieser Eindruck drängte sich nach kurzer Zeit nicht nur auf sondern wurde wenig später zur Gewissheit. Die Architekten, darauf angesprochen, fanden es ganz normal. Schließlich seien die Bücher, die sie schreiben auch nichts anderes als die Vermarktung der eigenen Philosophie. Warum also nicht auch filmisch diesen Zweck verfolgen. Dass ein Kino wie das Abaton dieses Spiel mitspielt und Eintritt verlangt erscheint dennoch fragwürdig. Doch das steht auf einem anderen Blatt.

Monadisch monologisch ?

Der Film: Staunend nehmen wir die emphatischen Kommentare der Sprecherin über das Parkhaus am Hamburger Flughafen zur Kenntnis. Ein Gebäude so schlicht und funktional dass es kaum auffällt. Ein Gebäude, das genau deshalb der GPM Philosophie entspricht. Schade, sagt einer, dass man es nicht patentieren kann um es überall auf der Welt zu reproduzieren. Schade, dass von Architekten erwartet wird, dass sie sich immer etwas neues einfallen lassen. Das Grundthema der GPM Architektur ist die einfache Form erbaut mit natürlichen Materialien. Sehr viel Glas und Stahlbeton. Manchmal auch Holz. Eher weniger. Eine funktionale Architektur. Eher aus der Perspektive von Bauingenieuren konstruiert als vom Künstler erträumt und empfunden.

Nicht „geschmäcklerische Kraft“ hat sich GMP auf die Fahnen geschrieben, sondern das Durchhalten der einfachen, der funktionalen Lösung, die ja überall auf der Welt funktioniere und daher – wie kann es anders sein – auf der ganzen Welt fast gleich aussieht. Funktionale Bauten: ein Universum an Stahlbetonkonstruktionen, rechtwinklige Fenster- und Fassadenorgien, die in Shanghai oder Daressalam nicht anders aussieht als am Hamburger Hafen. Nur manchmal darf es auch eine Raute sein oder ein anderes am liebsten schlichtes, geometrisches auflöst.“ Das künstlerisch, expressive oder gar geschmäcklerische ist gar nicht GPMs Sache Ornament. Die Welt befindet sich wenigstens hier in Reih und Glied, in einer auf den ersten Blick verständlichen aber auch langweiligen Ordnung. Geometrie ist für Gerkan der „gemeinsame Nenner, in das alles sich irgendwie fügt“. Denn Architektur, sagt Gerkan, ist die Kunst, die am meisten auf dem Intellekt beruht und am wenigsten von der Intuition geprägt ist. (Kunst also im Sinne von Können?). Man könnte dieser typisch norddeutsch-prosaischen Haltung etwas abgewinnen, sähen sich die Ergebnisse in aller Welt nicht so erschreckend ähnlich.

„Nur nicht anbiedern“ ist, so erfahren wir, ein weiterer GMP-Wert. Ganz gleich ob in Hamburg gebaut wird oder in Shanghai. Für die ganze Welt gelten die gleichen funktionalen Grundsätze. Selbstquälerisch geißelt sich im Film ein junger Wilder: Ging man vielleicht nicht doch zu weit, als man in China ein Dach eine Form gab, deren Anmut an eine stilisierte Wasserlilie erinnert? Als Hommage an die asiatische Seele?

Auf jeden Fall ist es ein Einzelfall geblieben. GMP in Peking ist inzwischen genau so gut organisiert, dass sich auch der Hamburger GMP-Architekt dort wie zu Hause fühlen kann. Auf dem Flug nach Peking, hören wir, hat der GMPler kein Magengrummeln mehr, was ihn in China erwartet. GPM, das ist, ganz wie ein GPM-Gebäude ein Stück Heimat, egal wo man sich auf der Welt befinden.

GPM steht für das Durchhalten und Durchsetzen einer ort- und zeitlosen internationalen Architektur, die für alle Fragen und alle Orte die richtigen Lösungen hat, weil sie nämlich auf einer überlegenen Methode beruht, die jeden Selbstzweifel an der eigenen Vortrefflichkeit verbietet. Das Geheimnis von GPM ist das Dialogische Entwerfen auf der Grundlage von Einfachheit und Vielfalt. GMP suggeriert in der Lage zu sein mit einer wissenschaftlichen Methode zu Lösungen zu kommen, die nicht zur Diskussion stehen. Wo GPM baut ist nicht nur die Moderne zu Hause sondern auch der erbarmungslose Glaube an ihre überhistorische Aufgabe. Es ist das alte Plus Ultra, das wir aus der Geschichte kennen!

Die von GPM neu gegründete Akademie formuliert ihr Verständnis von Dialogischer Architektur übrigens wie folgt:

„Die GPM Lehre basiert auf dem Dialogischen Entwerfen. Es geht davon aus, dass der Architekt die Gesellschaft vertritt und nicht sich selbst.“

Der GPM Architekt tritt also in einen Dialog mit sich selber ein. Er vertritt in diesem Dialog sowohl den Architekten als auch die berechtigen Anforderungen der Gesellschaft an den Planungsprozess. Dank dieser ausgefeilten Dialogtechnik kommt der Architekt immer zu einem einstimmigen Ergebnis, das er dann kraftvoll vertreten kann und das überall auf der Welt seine Gültigkeit hat.

Über den Vorteil im Auftrag von Diktatoren zu planen.

Angesichts von so viel Selbstbezüglichkeit und Selbstgewissheit lag es nahe, dass ein Zuschauer die Frage aufwarf, ob es nicht irgendwie auch von Vorteil sei, für ein diktatorisches Regime zu planen. Immerhin könne man dort völlig frei ganze Städte von der Größenordnung Frankfurts planen. Und in Hamburg sei es doch oft sehr schwierig eine gute Entscheidung herbeizuführen.

Nun, es gibt Fragen, auf die man nur falsche Antworten geben kann. Diese Frage gehörte ohne Zweifel dazu. Drum wollen wir es der Phantasie des Lesers überlassen, wie ein Star-Architektenduo darüber denkt. Wir wissen jedenfalls wie es sich im wirklichen Leben dazu verhält. Wie sagte Berthold Brecht so unnachahmlich schön und treffend: „Die Bourgeoisie hat von ihrem Standpunkt aus gesehen recht. Das Unrecht besteht in ihrem Standpunkt.“

Dass aber jeder echte Dialog eine ganz neue Qualität erzeugen kann, wenn der Dialog nicht nur mit sich selber sondern auch mit Vertretern der realen Welt und ihrer Widersprüche geführt wird, dafür war nicht nur dieser Abend im Abaton ein Beispiel. Auch die von GPM neu gegründete aac-hamburg Akademie berücksichtigt dies. Sie tritt an, um eine junge, internationale Architekturelite nach Bild von GPM formen. Und an dieser Akademie haben, wie Gerkan und Marg betonten, just in diesen Tagen auch Themen wie Ressourcenschonung, Region, Identität und Nachhaltigkeit einen Platz. Unter dem Markenzeichen GPM, versteht sich. In Hamburg darf man bekanntlich jede Farbe tragen. Hauptsache sie ist blau.
(c) Text: Andreas Grzybowski
(c) Pics: Theresa Mayer, Wien