In Herrmannsdorf sollte „alles so ganz anders“ sein. Es
sollte wieder zusammengebracht werden, was von Natur aus zusammengehört: die
Landwirtschaft mit Pflanzen- und Tiererzeugung, die Umwandlung von Pflanzen und
Tieren in Lebens-Mittel (Metzgerei, Käserei, Bäckerei, Brauerei) sowie der
unmittelbare Verkauf an die Menschen, die solche Lebens-Mittel verzehren
sollten und mit denen wir direkt kommunizieren wollten. Von Anfang an sollten Bauern
der Region in das Netzwerk eingebunden sein. Im Zentrum stand das System „Tiere
und Fleisch“. Die Tiere sollten ein gutes Leben haben und Gutes zum fressen
bekommen und am Ende einen würdevollen Tod sterben. Ihr Fleisch sollte am
gleichen Ort ganz frisch in Schinken und Würste verarbeitet werden.
Vor zehn Jahren gründete ich die „Erste Private
Landwirtschaftliche Versuchsanstalt für eine Symbiotische Landwirtschaft“. Es
sollte mein Altersprojekt sein. Ich wollte versuchen, Fleisch, Schinken und
Würste noch besser zu machen, als wir es ohnehin bis dahin schon erreicht
hatten und den Tieren ein noch besseres Leben zu ermöglichen, als das selbst im
ausgeklügelten Stall möglich ist. Ein Experiment.
Vor sechs Jahren startete mein Sohn Karl das Projekt Herrmannstorfer
Landhuhn als Zeitnutzungshuhn. Ganz wesentlich dabei war die ethische
Motivation, das übliche Töten männlicher Kücken aus den Legehennen-Hochzucht zu
vermeiden.
Schweine und Geflügel sind durch Hochleistungszucht sowie
Intensivhaltung am stärksten in ihren Lebensbedürfnissen fast bis zur
Unkenntlichkeit verformt worden. Die Grenzen dessen, was man Fortschritt nennt,
sind längst überschritten.
Mit den hier vorgestellten Erfahrungen in der Nutzung von
Symbiosen in der Landwirtschaft
Symbiosen - Zum Nutzen unserer Nutztiere |
Wollen wir ein wegweisendes Beispiel für einen achtsamen
Umgang mit Mensch, Tier und Natur geben. Nach vielen Jahren praktischer
Erfahrung ist unser Konzept, das heute denkbare und machbare Optimum in der
Nutzung der Natur für unsere Lebens-Mittel zu verwirklichen, eine Messlatte, an
der sich das praktische Handeln orientieren kann. Je näher wir die Messlatte
kommen, desto besser.
Das Grundprinzip der Natur ist Vielfalt. De Natur kennt
keine Monokulturen. Natur findet in Symbiosen statt (griechisch sym = zusammen;
bios = Leben) zum gegenseitigen Nutzen und Wohlbefinden, ohne Ausnahme, überall
auf der Welt, je nach Klima und Bodenverhältnissen, ob Tundra, Steppe Acker
oder Wald. Unser Grundprizip ist, soweit wie möglich Polykulturen an die Stelle
von Monokulturen setzen; Vielfalt statt Einfalt zu schaffen. Symbiosen finden
aber auch in menschlichen Gesellschaften statt, zum Beispiel bei der
Zusammenarbeit von Bauern, Lebensmittelhandwerkern und Verbrauchern zu
gegenseitigen Nutzen! Wie funktioniert das nun?
Bauern der Region sind in Das Verbundsystem einbezogen. Sie
züchten und ziehen ihre Tiere nach den Regeln ökologischer Tierhaltung auf. Sie
bekommen dafür den angemessenen Preis. Sie liefern ihre Tiere für die Endphase
des Tierlebens in die Symbiotische Weidehaltung. Dort leben die Tiere ein fast
vollkommenes Leben (fast wie in der freien Natur), für eine vollkommene
Fleischqualität. Die Symbiotische Landwirtschaft ist räumlich verzahnt mit
einer Warmfleisch-Metzgerei. So können die Tiere ihren letzten Weg zu Fuß und
ohne Aufregung gehen. Nur so sind nach meiner Erfahrung höchste Geschmacks- und
Gesundheitsqualität zu erreichen – und ein gutes Gewissen.
In der Symbiotischen Weidehaltung können die Tiere ihre
natürlichen Bedürfnisse weitgehend ausleben. Es soll ihnen ganz besonders gut
gehen, sie sollen gesund sein und sich wohlfühlen. Dabei werden Bodenleben,
Bodenfruchtbarkeit und Humusbildung gefördert. Die Landwirtschaft soll schön
und abwechslungsreich sein, und die Arbeit soll den Menschen Freude machen. Und
am Ende soll das Fleisch, das Fett, die Schinken und die Würste besonders gut
schmecken. Sie sollen wieder Lebens-Mittel sein, Mittel zum Leben, in denen
noch alles Leben von Natur aus drin ist. Anliegen ist „das Leben in den
Lebens-Mittel zu schützen und zu bewahren“ auf den langen Weg vom Acker bis auf
unseren Teller.
Herz und Kernstück in der Symbiotischen Landwirtschaft sind
die Schweine und die Hühner, weil diese (vor allem in der letzten Phase ihres
Lebens) andere Ernährungs- und Lebensweisen brauchen, als wir ihnen selbst im
besten Stall bieten können. Hecken sind wichtig als Lebens- und Schutzraum.
Obstbäume passen ideal in die Symbiose von Tieren und Pflanzen. Rinder und
Schafe dienen im System überwiegend der Verbesserung von Bodenleben und Bodenfruchtbarkeit.
Das Optimum ist eine sogenannte Koppelwirtschaft. Eine
Koppel wird je nach Jahreszeit mit bis zu 20 verschiedenen Pflanzen eingesät.
Alle Tiere fressen dann das frische Grün, die Schweine wühlen und fressen wie
die Hühner Lebendiges, das im Boden lebt. Schweine schützen die ängstlichen
Hühner vor Fuchs und Mader. Die Hühner sorgen für gute Hygiene, indem sie
unermüdlich Parasiten, Insekten und Fliegen sowie mögliche Krankheitserreger
von den Schweinen aus den Boden picken. So sind alle Tiere gesund, ohne
vorbeugende Medikamente. Wenn die Koppel abgeerntet und von den Schweinen
gepflügt ist, zieht der ganze „Wanderzirkus“ mit den mobilen Hütten, den
Futterkisten, der Tränke und der Badeanstalt, auf die nächste Koppel, wo der
„Tisch neu gedeckt ist“. Auch im Winter finden die Schweine noch ganz viel
draußen. Die Hecken und Feldgehölze sind voll von herabfallenden Früchten und
Lebendigen im Boden – all das, was Menschen nicht essen können.
Im nahegelegenen Schlacht-Fest-Haus (so genannt in Erinnerungan die ländliche Kultur des Schlachtfest) werden die Tiere achtsam und ohne
Angst und Stress getötet – (kein Schrei ist zu hören). Ruhig getötete Tiere
entwickeln keine Stresshormone. Die Stoffe, die sich mit der Totenstarre
schnell abbauen, bleiben so länger erhalten. Das Fleisch hat eine bessere
Konsistenz und hält länger. Aber auch der nicht-stoffliche Teil, den wir (noch)
nicht messen können und den man mit Begriffen wie Energie, Kraft und Wirkung
beschreiben könnte, bleibt länger „lebendig“. In der angeschlossenen
Handwerklichen Warmfleischmetzgerei werden sodann die sauber geschlachteten
Tierkörper noch warm, ohne zu kühlen, unmittelbar in den Verarbeitungsprozess
gegeben. Das muss ganz schnell gehen. So brauchen wir keine
Geschmacksverstärker und keine sonst üblichen Zusatzstoffe. Es ist ja von Natur
aus noch alles drin. Unsere wichtigste Zutat in der Zutatenliste ist das
„Leben“.
Die heute getrennten Prozessteile Schlachten, Zerlegen und
Verarbeiten werden wieder zusammengefügt. Der Aufwand und die Kosten für
Kühlung, Verpackung und Transport sind deutlich niedriger. So wird weniger
Energie gebraucht. Wir nennen das die „Ökologie der kurzen Wege“. Die Arbeit
ist handwerklich, verstehbar und abwechslungsreich, keine Langeweile! Der
Meister sagt der Maschine, was sie tun soll. So bleibt der Mensch Herr und die
Maschine der nützliche Diener – und nicht umgekehrt.
Ganz wichtig im Verbundsystem Tiere-Fleisch ist der Verkauf
unmittelbar an den Menschen, die gerne Fleisch essen und wissen wollen, wo es herkommt.
So können wir ihnen erklären, was wir machen, warum wir das so machen und was
wir garantiert nicht machen. Wir können so den deutlich höheren Preis erklären,
glaubhaft und verstehbar machen. „Lieber halb so viel, dafür dreimal so gut“.
Wir wollen uns deutlich von anonymen, technisch perfekten Supermarkt
unterscheiden. Wir verkaufen „klassisch“ mit Bedienung. Da stehen sich Menschen
gegenüber, vor der Theke und hinter der Theke. Sie reden miteinander, da wird
beraten und verkauft; wenn das geliebte Gustostück nicht mehr da ist, gibt es
ein ähnlich gutes. Wir müssen dafür sorgen und das ist ganz wichtig für die
Wirtschaftlichkeit, das jedes Teil vom Tier- vom Schnäuzchen – in den Schinken
und Würsten landet, die den höchsten Preis erbringen, dass nichts verschwendet
wird und am Ende der Woche alles verkauft ist. Das alles ist gute alte
Handwerkskunst.
Ein Verbund von Bauern, Metzgern und Verbrauchern macht es
den Beteiligten möglich, aus den vorherrschenden System auszusteigen und
unabhängig zu werden vom Preisdruck des klassischen Einzelhandels. Welch eine
Freude und welch eine Genugtuung, sagen zu können: „Gehabt euch wohl, wir brauchen euch nicht mehr“. Bauern und Metzger können den Ausstieg in der Regel
nicht alleine schaffen. Aber gemeinsam können sie das! Dafür bietet sich die
altbewährte Form der Genossenschaft an, in der die Rechte und Pflichten der
Partner genau geregelt sind und jeder seinen gerechten Anteil am Gesamtertrag
bekommt. Für die Finanzierung sich die einzigartige Möglichkeit, Bürger ganz
unterschiedlicher Herkunft und Lebensweisen einzuladen, sich finanziell zu
beteiligen, ihr Geld sinnvoll einzusetzen und mitzuhelfen, dass etwas
Vernünftiges entsteht, eine „Bäuerlich-Handwerkliche
Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft“.
Wir haben in Herrmannsdorf bewiesen, dass eine solche
Wirtschaftsweise mit einer solchen Werte-Philosophie möglich ist. Es ist zwar
teurer, aber es rechnet sich für alle Beteiligten.
Es ist ohnehin höchste Zeit, Leben und Lebens-Mittel neu zu
denken. © KLS 2014
Broschüre erhältlich durch: cthomas-at-schweisfurth.de 1 Exemplar 4 Euro
/ 2 Exemplare 5 Euro / 3 Exemplare 7 Euro
Das Link zeigt Ihnen den Weg zum "Gipfeltreffen" mit dem Filmemacher Werner Schmidbauer und dem Metzgermeister und Unternehmer Karl Ludwig Schweisfurth: