Dieter Horchler / Christine Ax
Eine Chance für die Zukunft des Handwerks
2003 haben die UNESCO-Mitgliedsstaaten, als Ergänzung zur sehr bekannten Welterbekonvention von 1972 ein Übereinkommen zum Schutz des Immateriellen Kulturerbes verabschiedet. Dieses Übereinkommen ist seit April 2006 in Kraft. Seit November 2006 sind alle UNESCO Mitgliedstaaten aufgerufen, die praktische Umsetzung dieses Instrumentes für den nationalen Handlungsbereich zu definieren.
Einige Staaten Europas haben diesen Prozess bereits in Angriff genommen, darunter z.B. Frankreich, die CSSR oder Thailand. In Deutschland wird der Umsetzungsprozess durch die UNESCO Deutschland koordiniert und für 2008 ist der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Konvention geplant.
Ende 2006 wurde in Deutschland mit Blick auf diesen Beitritt ein von Fachleuten erarbeitetes Memorandum zur Diskussion gestellt, das die derzeit wichtigste Grundlage für den Deutschen Weg zur inhaltlichen Ausgestaltung und praktischen Umsetzung der IKE-Konvention (IKE = Immaterielles Kulturelles Erbe) zur Diskussion stellt.
Die Konvention und erste Erfahrungen mit der Umsetzung in Europa zeigen, dass „Handwerk“ als immaterielles Kulturgut eine große Bedeutung hat, die es nun auch für Deutschland zu definieren und umzusetzen gilt. Kernstück werden Internationale aber auch Nationale oder ggf. Regionale Listen sein, die mit den Listen zu den UNESCO Weltkulturerbestätten vergleichbar sein dürften.
Darüber hinaus sind aber auch weitergehende Aktivitäten denkbar, wie sie heute bereits in Frankreich in Angriff genommen worden sind. Es geht nun darum, dieses kulturelle Erbe, soweit es Handwerk ist oder mit Handwerk zu tun hat, zu erfassen, zu beschreiben, zu präzisieren und ihm einen angemessenen Schutz bzw. Förderung zukommen zu lassen.
Mit Blick auf die Bedeutung und die Chancen, die mit diesem IKE – Prozess für das Handwerk und seine Zukunft verbunden sind, erscheint es wichtig, dass nicht nur außerhalb des Handwerks in den Kreisen der Kunst- und Kulturwissenschaft über IKE berichtet und gesprochen wird, sondern dass auch das Handwerk selber, seine Organisation, seine Unternehmen und die handwerksnahe Einrichtungen in diesen Diskussionsprozess eingebunden sind.
Um deutlich zu machen, was IKE für das Handwerk bedeuten kann, sei hier kurz auf die Vorreiterrolle Frankreichs hingewiesen, dass dem Thema Kultur und seinen Chancen für die nationale Identität und Wirtschaft traditionell einen großen Stellenwert zuweist. In Frankreich werden heute durch eine Vielzahl von Aktivitäten seltene handwerkliche Berufe aber auch Unternehmen mit national oder regional bedeutenden Produkten oder Verfahrenswissen „auf das Schild der nationalen Ehre“ gehoben. Ziel dieser Programme ist der Schutz und Erhalt von seltenem, und für die Zukunft wichtigem handwerklichem Können und Wissen, das für die nationale oder regionale Identität und/oder für die Wirtschaft des Landes (z.B. Mode, Ernährung) von Bedeutung sind.
(Frankreich fördert das kulturelle Erbe „Handwerk“ im wesentlichen mit drei Programmen: Dem Erhalt und der Weitergabe von seltenen Berufen und Fertigkeiten durch die Auszeichnung von „Maitre d´Arts“, deren Weitergabe von Wissen finanziell gefördert wird, durch die SEMA, die das Kunsthandwerk und die Ausbildung durch vielfältige Maßnahmen fördert und durch das Gesetz zur Auszeichnung von Unternehmen, die als lebendiges nationales Kulturerbe gewürdigt und gefördert werden sollen.)
Angesichts der Notwendigkeit die Identität und den Zusammenhalt des Handwerks zu stärken, ist die Diskussion um IKE, ist die notwendige und anstehende inhaltliche Ausgestaltung und Umsetzung von IKE in Deutschland auch eine Chance auch für die Handwerksorganisation und ihre Integrationskraft nach innen.
Dass der Begriff „kulturelles Erbe“ nicht zwangsläufig etwas ist, das nur den Aspekt der Tradition und der Vergangenheit meint, belegt die derzeitige Umsetzungsdiskussion bei der UNESCO aber auch die Art und Weise, in der z.B. Frankreich die Umsetzung der IKE-Konvention in Angriff genommen hat.
Kultur und Identität wird heute als ein für Europas Zukunftsfähigkeit zentrales Moment verstanden. Gerade die Folgen der Globalisierung und die Notwendigkeit in der Welt mit eigenen und eigenständigen Produkten und Profilen zu bestehen, ist einer der hinreichenden Gründe für die wachsende Bedeutung unseres „Immateriellen Kulturelles Erbe“. Handwerk als eine der wichtigsten materiellen Voraussetzungen für den Erhalt und die Erneuerung unserer Kultur ist hier aufgerufen, seinen Beitrag zu leisten, und sich dieser bedeutenden Aufgabe zu stellen.
Um die Bedeutung von Handwerk für IKE zu definieren bedarf es daher heute einer Gesprächsplattform und eines möglichst transparenten und offenen Diskussionsprozesses, der die Integration all derjenigen ermöglicht, die ein persönliches oder institutionelles Interesse daran haben, an IKE und deren Umsetzung aktiv mitzuwirken.
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Foto © Augsburger Puppentheatermuseum / B. Miller