März 30, 2006

Was der Fall ist und was heute zu tun ist, oder in der nächsten Zukunft

Das was der Fall ist, meine lieben Leser , die Gegenwart, sie ist „glocal“. Unsere Welt hat sich in ein globales Dorf verwandelt. Auch wenn es hier in Friedrichstadt noch nicht so augenfällig ist, wie in den Ballungsräumen, die schon immer den Takt der Veränderung vorgaben, ist nichts mehr wie vor zwanzig Jahren. Wer heute durch Hamburg, Berlin oder Wien spaziert und seine Aufmerksamkeit auf die Geschäfte, Produkte oder Werbung richtet, sieht dort den indisch/pakistanischen Supermarkt neben italienischen oder mexikanischen Restaurants, amerikanische Coffeeshops neben der inzwischen typisch deutschen Dönerbude, die unseren Kids das Mittagessen serviert. Italienische Mode direkt aus China und deutsche Produkte, die internationale Namen tragen. Die Werbebotschaften sind eine Mischung aus deutsch und englisch. Im Wesentlichen also denglisch. Und was nicht denglisch ist hat einen Touch ins italienische. Denn merke: nur der Italiener weiß wirklich, wie man gut lebt. Pfarrer Kneipp ist out, Ayurweda ist in. Statt Lebensmitteln gibt es deshalb heut überall auch alimentari. Und Schokolade heißt choclat. Und all das, mein lieben Leser, versteht jedes Kind. Unsere Kinder, sie gehen in Schulklassen, in denen ihre Mitschüler zur Hälfte aus Einwandererfamilien stammen. Die Jugend verbindet vor allem Musik, Mode, Handyklingeltöne und der Computer. Sie haben eine Weltsicht, die genauso vielfarbig und international ist, wie die Realitäten unserer Innenstädte.

Nach der Europäisierung unserer Lebenswelt ist die Globalisierung also mit Macht bei uns angekommen, verändert die Lebenswelt und die Rahmenbedingungen unter denen wir und das Handwerk lebt und arbeitet.

Es sind in Deutschland in den letzten Jahren im durchschnitt 3% der Arbeitsplätze im Handwerk verloren gegangen. Allein in 2003 waren eine Viertel Million. Das Bauhandwerk hat einen dramatischen Schrumpfungsprozess hinter sich und jetzt endlich, wie es scheint, die Talsohle durchschritten. Viele Zulieferbetriebe haben die Abwanderung ihrer Kunden ins Ausland nicht überlebt – andere sind zurückgekommen. Die öffentliche Hand ist pleite. Und vor allem die indirekten Folgen der Globalisierung sind bedeutsam. Arbeitslosigkeit und eine weit verbreitete Verunsicherung in Bezug auf die Stabilität und die Tragfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme bewirken hohe Sparquoten und eine geringe Investitions- und Konsumneigung der privaten Haushalte.

Viele Menschen kompensieren sinkendes Einkommen indem sie beim Discounter einkaufen. Mit der Flut an Billigprodukten und sinkenden Preisen Konsumgütermärkten, kommen auch Wertgefüge ins wanken. Wenn ein kleiner Röhrenfernseher genauso viel kostet, wie einmal Haare Schneiden und Färben bei meinem Friseur, dann hat das Folgen. Die Preise des Friseurs erscheinen unverschämt und die Reparatur des Fernsehers kommt schon allein deshalb nicht mehr in Frage, weil die Reparaturkosten im Verhältnis zum Neupreis unverhältnismäßig hoch erscheinen.

Und dennoch wird in Deutschland, Europa und der Welt Geld ausgegeben, sehr viel Geld. Es gibt auch die Gewinner dieses Wandels. Und dazu gehören neben Discountern vor allem Anbieter hochwertiger Produkte und Luxusmarken.

Generell gilt: Der Konsum von heute dient nicht mehr der Befriedigung von Grundbedürfnissen, sondern immer öfter der Befriedigung psychischer und sozialer Bedürfnisse wie Anerkennung, Lustgewinn, Selbstentfaltung und individualisierende Daseinsgestaltung, Und dies gilt heute nicht nur für Luxusprodukte. Es gilt auch für Kauf des Frühstücksbrötchens. Es gilt genau genommen immer wenn der der Kunde die Wahl hat.

Die Kunden entscheiden selten nach rein rationalen Gesichtspunkten. Der reine Funktionskauf ist im Alltag die Ausnahme. Die Regel ist der Kauf aus dem Bauch heraus. Emotionen dominieren den Markt. Und entscheidet sich der Kunde für billig, dann um sich an anderer Stelle für Luxus zu entscheiden. Denn Luxus ist für die meisten Menschen ein Akt der Freiheit. Luxus bedeutet, sich für einen Augenblick frei zu machen, vom Diktat ungeliebter alltäglicher oder ökonomischer Notwendigkeit.

Schauen Sie sich um. Sie finden überall Jugendliche die zwischen 100 und 150 Euro für ein Paar Sportschuhe bezahlen, deren Importpreis zwischen 7 und 12 Euro liegt. Warum? Weil addidas oder nike draufsteht und dieses kleine Wort ihnen das Gefühl vermittelt, dazu zu gehören. Und dies gilt auch für die Slumgebieten dieser Erde, wo junge Menschen alles tun, um dazu zu gehören. Auch die Wohnzimmerlampe oder die Kaffeekanne darf ein kleines Vermögen kosten, wenn sie von Philip Stark designed wurde. Für zwei Urlaube im Jahr und das Auto ist meist das Geld da. Auch die Tasse Kaffee darf drei Euro kosten, wenn sie nur am richtigen Ort serviert, das richtige Lebensgefühl vermittelt.

Das ganze erscheint vielleicht zufällig. Ist es aber nicht, denn wir können die Grundmuster erkennen, nach denen die Märkte sich entwickeln und verändern. Die Marktforschung ist in der Lage uns ziemlich genau zu sagen, welche Schichten durch Lebensstile und Werte verbunden sind, welche Möbel in welchen Wohnzimmern stehen, welche Trends im Markt aktuell sind, auf welche Formen und Farben Kunden reagieren und wie Produkte und Werbung gestaltet werden muss, damit sie die Herzen der Menschen erreicht.

Auch wenn das das Handwerk schon lange mehr nicht in der Lage war eigene Trends zu setzen, so sind die fitten Unternehmer unter Ihnen doch in der Lage diese Trends aufzugreifen und auf den Wellen zu surfen.

Neben der Globalisierung gibt es derzeit eine handvoll anderer wichtiger Themen und Entwicklungen die im alten Europa die Märkte der Zukunft bestimmen werden:

Der demographische Wandel führt dazu, dass der Anteil an Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung sinkt, die Zahl der Singlehaushalte hoch bleibt und die Bevölkerung und die Nachfrage femininer geworden sind.
Damit eng verbunden ist der hohe Stellenwert, den das Thema Gesundheit und Wellness auch in Zukunft haben wird. Dabei dominiert ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit, dass alle Lebensbereiche umfassen wird: Ernährung, Wohnen, Urlaub, Bekleidung, Freizeit und Bildung. Und auch hier werden Frauen die Nachfrage dominieren.
Den so genannten Lebenswissenschaften wird heute zugeschrieben, dass sie die Gewinner von Morgen sein werden. Biotechnologie, Gentechnik und Nanotechnologie haben sich auf den Weg gemacht die Welt zu verändern. Neue, intelligente und lernfähige Werkstoffe und Enzyme, neue Arten der Medizin und intelligente Mikroroboter werden in Zukunft in den Dienst der Wirtschaft und ich hoffe auch in den Dienst der Menschheit gestellt werden.
Und die Digitalisierung der Lebenswelt verändert unseren Alltag und auch die Lebensstile noch immer und hat ihren Zenit noch nicht erreicht.
Jeder und alles ist überall und jederzeit erreichbar. Die Grenzen zwischen dem realen und dem virtuellen Erleben verschwimmen. Virtuelles wird realer. Reales erscheint uns virtuell. Unsere Wahrnehmung wird zunehmend durch den Medienkonsum geprägt und dies alles hat Folgen auf unsere Art und Weise zu denken, die Welt wahrzunehmen und es verändert unser ästhetisches Empfinden.
Die Digitalisierung verändert auch die Welt der Produktion. Die Zukunft der Produktion ist – da sind sich Europas Zukunftsforscher einig – vernetzt und dezentral. Sie ist, wie man auch sagen könnte, postindustrielle und neohandwerklich. Doch dazu später mehr.

Doch diese Welt mit ihren zahllosen Möglichkeiten weist Risse auf uns ist voller Widersprüche.

Der demographische Wandel wird dazu führen, dass unser Gesundheitswesen aber auch die Alterssicherung in der heutigen Form nicht mehr finanzierbar sind. Wir werden sehr viel mehr Eigenverantwortung übernehmen müssen für unsere Gesundheit. Ein Leben lang. Wir unsere eigenen Gesundheitsmanager werden müssen und den nachhaltigen Umgang mit unserem Körper erlernen oder einen hohen Preis für unsere Unvernunft selber zahlen. Damit wir im Alter nicht in Armut leben, müssen alle in Zukunft mehr Daseinsvorsorge betreiben, sich in neue Gemeinschaften begeben, mit und ohne Kinder oder vielleicht auch deutlich länger arbeiten.

Unsere Gesellschaft wird die Begriffe Gemeinschaft, Solidarität und Brüderlichkeit neu buchstabieren lernen müssen. Der Ausschluss von Millionen und ganzer Regionen aus der Welt der bezahlten Arbeit und des Wohlstandes wird uns sonst einholen. Wir werden Arbeit und Einkommen teilen müssen, mehr in Bildung investieren statt in Autos.

Die Zahl der Bündnisse zwischen den Globalisierungsverlierern der Welt wächst derzeit schnell. Viele Menschen haben bereits verstanden, dass sie ihren billigen Wohlstand den verheerenden Arbeitsbedingungen an unseren verlängerten Werkbänken in Asien verdanken und die hohe Arbeitslosigkeit ihrem eigenen kindlichen Egoismus.

Der nachhaltige Umgang mit uns selber, mit unserem KulturGut und dem Ökosystem Erde ist von vielen Regierungen dieser Erde als Notwendigkeit verstanden worden. Dies gilt – noch nicht – für die große Mehrheit der Unternehmen oder für uns Verbraucher, die wir mit unseren Kaufentscheidungen täglich darüber abstimmen, wer Arbeit und Einkommen hat und wer nicht.

Die Widersprüche in denen wir Leben sind gewaltig. Und sie werden einen Wertewandel bewirken müssen. Wir finden in Europa und auch in den USA vor allem unter den Meinungsmachern, in den gut situierten Familien, bei den gebildeten und wohlhabenden Schichten einen deutlichen Trend hin zu einem Wertewandel, zu „nachhaltigeren“ Lebensstilen.

Der Wunsch nach Gesundheit und Wellness verbinden sich hier mit einem neuen Qualitätsbewusstsein für alle Güter des täglichen Bedarfes für ein stilvolles, gutes Leben und einem bewussten und verantwortungsvolleren Umgang mit sich selber und der Umwelt. Dieser Lebensstil ist oft auch getragen von einer neuen Spiritualität und eröffnet Marktchancen für Handwerksbetriebe, die keine Scheu haben, in solche Wellness- und Luxusmärkte hineinzugehen und die den hohen Ansprüchen dieser Kunden geistig gewachsen sind.

Auf die Frage, warum manche Anbieter im Markt erfolgreich sind und andere nicht, haben die Wirtschaftswissenschaften viele Antworten gegeben. Michael E. Porter beschreibt in seinem Standardwerk über die Wettbewerbsfähigkeit,

( Porter, Michael E.: Wettbewerbsstrategien : Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten. 10., durchges. u. erw. Aufl. Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 1999. - ISBN 3-593-36177-9 )

dass Unternehmen sich klar darüber werden müssen, ob sie ihre Chance im Preiswettbewerb oder im Qualitätswettbewerb suchen. Jedes Unternehmen muss für sich diese überlebenswichtige Frage beantworten. Was ist sein „Alleinstellungsmerkmal“ aus der Sicht der Kunden. Je erfolgreicher ein Unternehmen darin ist, Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln und zu kommunizieren, desto höher sind die Preise, die es realisieren kann – aber nicht muss.

Alleinstellungsmerkmal, das heißt im besten Fall, den ich Ihnen Wünsche, ein einmaliges Produkt, eine einmalige Dienstleistung oder ein einmaliges Produktionsverfahren. Einmal zumindest in dem Markt, den Sie bedienen wollen. Ganz oft handelt es aber auch um ein ganzes Bündel von Merkmalen. Dabei geht es nicht mehr nur um die Funktion und den Preis, sondern immer öfter auch um die Art und Weise, wie das Produkt in die Welt kommt, die Geschichte dahinter und in Zukunft auch – was Ihr Unternehmen für die Gemeinschaft und unser aller Zukunft leistet.

Da Handwerk den Preiswettbewerb mit standardisierten industriellen Produkten oder mit Importware nicht gewinnen kann, muss es Leistungen erbringen, die aus der Sicht der Kunden eine ganz besondere eine geldwerte Qualität haben.

Erfolgreich sind daher vor allem:

Unternehmen, die es schaffen sich selber als Marke in ihrem Markt und für ihre Kunden zu etablieren

Unternehmen, die in der Lage sind die richtigen Trends aufgreifen und authentisch zu interpretieren und umsetzen,

Unternehmen, die sich in ihrer Arbeit konsequent von ihrer Leidenschaft zum Produkt und zur Qualität leiten lassen.


Sie alle haben gute Chancen, auch auf Dauer dem heutigen Wettbewerbsdruck standhalten.

Nicht weniger wichtig als die Leidenschaft zur Qualität ist es heute für Handwerksbetriebe alle Chancen zu prüfen, dies sich aus Kooperationen für sie ergeben.

Hierfür gibt es viele gute Gründe. Einer der besten Gründe ist meiner Ansicht nach, dass jeder Unternehmer in der Regel Stärken und Schwächen hat.

Denn die größte Stärke des Handwerks ist in gewisser Weise zugleich seine größte Schwäche. So gut und bewundernswert es ist, dass im Handwerk ganzheitlich ausgebildet, gearbeitet und gedacht wird. So gefährlich ist es, das die meisten Handwerker glauben, alles zu können.

In den vielen Jahren, die ich mit Handwerk zu tun hatte, ist mir aufgefallen, dass nahezu jeder Handwerker sich einem der folgenden Typologien zuordnen lässt. Es gibt nach meiner Beobachtung:

Künstler-Handwerker
Unternehmen-Handwerker und
Handwerker-Handwerker

Und jeden von ihnen, bewundere ich für seine Stärken, die ihm viele Erfolgschancen eröffnen. Stärken, die zugleich aber meist auch die eigne Begrenzung aufzeigen. Um wie viel besser wäre es doch, in diesen turbulenten Märkten, in allen drei Bereiche gleich gut zu sein?

Gute Lösungen für dieses Dilemma sind meiner Ansicht nach die Delegation und die Kooperation und beides – dies ist doch eine gute Nachricht - kann man lernen.

Wenn Handwerk kooperiert, hat es große Chancen auch weit über die eigene Region hinaus. Die gut gemanagte Flotte kann es, wie das wunderbare Buch von Hans-Joachim Gögl und Clemens Schedler illustriert, mit dem industriellen Tanker durchaus aufnehmen.

(Landschaft des Wissens Sieben Porträts außergewöhnlicher Projekte in Europa: www.landschaft-des-wissens.org)

Sie hat sogar in vielen Fällen marktstrategische Vorteile oder Kostenvorteile.

Kooperationswissen wurde inzwischen von vielen Experten gesammelt und publiziert. Innerhalb und außerhalb des Handwerks haben sich Kooperationsberater, Franchisespezialisten oder Netzwerkmanager etabliert und stehen für die Entwicklung angemessener Lösungen zur Verfügung.

Nach meiner Beobachtung ist es wichtig, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Wettbewerbssituation des Handwerks im Verhältnis zur Industrie in wichtigen Punkten verändert hat. Waren die Werkzeuge der Industrie früher starr und die Massenproduktion daher kaum in der Lage, auf individuelle Wünsche einzugehen, hat sich die Situation auf den Konsumgütermärkten in diesem Punkt vollständig verändert ja geradezu umgekehrt.

Der Markt ist heute von einer ausufernden Variantenproduktion und Vielfalt geprägt, die nahezu unübersichtlich geworden ist. Zu besichtigen ist dieser Zustand in den Innenstädten der großen Metropolen aber auch in den Malls und Hypermärkten, die auf der grünen Wiese stehen.

Die Variantenvielfalt ist so groß geworden, dass immer mehr Unternehmensberater heute der Industrie dabei helfen müssen, ihre Produktvielfalt zu managen und kostenseitig in den Griff zu bekommen. Und es sieht derzeit so aus, als ob auch die Kunden diese Unübersichtlichkeit inzwischen ermüdend finden.

Es ist stets der Unterschied, der den Unterschied macht. Aber Unterschiede müssen deutlich sichtbar, hörbar oder fühlbar sein, um als solche wahrgenommen werden zu können. Doch je größer die Variantenzahl bezogen auf ein und dasselbe Produkt ist, desto geringer werden die Unterschiede. Und je vielstimmiger der Chor der Stimmen ist, der uns die Einmaligkeit eines Produkts beschreibt, desto schlechter ist der Farbklang der Einzelstimme zu hören.

Bündelung der Angebote, liebe Leser ist daher heute eine der notwendigen und Erfolg versprechendsten Maßnahmen, um Handwerksbetriebe in diesem vom Überfluss geprägten Markt, sichtbar werden und bleiben zu lassen.

Bündelung kann bedeuten, dass der Tischler sich mit seinen Tischlerkollegen zusammentut um sich z.B. in einem Prospekt oder im Internet unter einem Begriff, sagen wir z.b. „Wir Möbelmacher“ zu finden ist. Dieser Begriff kann gemeinschaftlich beworben werden und besteht eine gewisse Chance, dass die Menschen trotz aller Informationsüberflutung sich solch einfachen Botschaften noch merken können und bei Gelegenheit dort reinschauen. Bündelung können z.b. Guides oder schöne Bücher mit einer themenspezifischen Überschrift sein z.b. zum Thema Bauen oder die Auslese der Besten. Guides, die dort liegen, wo der Tischler seine Zielgruppe erreichen möchte, bei der Bausparkasse, dem Architekten oder im Hotel. Bündelung ist, wenn Handwerksbetriebe sich unter einem Thema unter einem Dach versammeln, wie dies zum Beispiel im Rahmen der Meisterstraße (http://www.meisterstrasse.at/) hervorragend umgesetzt wird. Bündelung bedeutet auch, mit verwandten Angeboten oder Themen unter einem Dach zu einem Thema präsent zu sein, wie z.b. rund um das Thema Wohnen, Gesundheit oder Ernährung.

Für das Handwerk bedeutet dies

a) sich selber als Marke zu verstehen und zu verkaufen

b) deutlich und aktiv den Unterschied kommunizieren muss, der zwischen der massenhaften Variantenproduktion und einem wirklich individuellen Problemlösung besteht.

Individuelle Lösungen entstehen nur dort, wo der Kunde in den Produktentstehungsprozess aktiv mit einbezogen wird: ganz gleich ob es sich um die Herstellung von Maßbekleidung oder um die Inneneinrichtung oder Küche handelt. Dies alles bedeutet, dass die Qualitätsversprechen allerdings auch eingelöst werden müssen, die wir dem Kunden geben. Und das ist heute nicht immer der Fall und zugegebener Maßen auch nicht immer einfach.

Internet und die Digitalisierung der Wertschöpfungskette, sind dabei richtig genutzt, Bündnispartner für Kleinstbetrieben. Sie helfen Handwerksbetrieben ihr Angebot sichtbar werden zu lassen, helfen Standortnachteile oder fehlende Ressourcen in der Öffentlichkeitsarbeit zu ersetzen, erlauben eine kostengünstige Bündelung von Angeboten zum Nutzen des Kunden.

Das Internet unterstützt auch die Kooperation zwischen Unternehmen oder Produktionsnetzwerke. Dass die Zukunft der Produktion dezentral und vernetzt sein wird, darin stimmen alle wichtigen europäischen Studien überein, die sich mit der Produktion der Zukunft beschäftigen.

Angesichts der großen Bedeutung, nach der Zukunft des produzierenden Handwerks möchte ich am Beispiel des Möbel- und Innenausbaus gerne dies noch einmal konkretisieren.

Wie in den meisten Konsumgütermärkten haben Billigmöbel und Industrieprodukte den Anteil der handwerklichen Möbel am Markt stark zurückgedrängt. Die Auslagerung der Möbelproduktion in Niedriglohnländer und der Erfolg der großen Möbelmärkte ließen den Anteil der Tischlermöbel am Gesamtmarkt schrumpfen. Allerdings wäre es wünschenswert, dass das Tischlerhandwerk, die Chancen nutzt, die sich aus den technologischen Umbrüchen der Gegenwart für Kleinbetriebe ergeben.

Wie oben bereits angedeutet, ermöglicht die Digitalisierung der Wertschöpfungsketten heute ganz neue Produktions- und Vertriebsszenarien.

Nachdem der privat genutzte Computer und der Internetzugang inzwischen zur Standardausstattung der privaten Haushalte geworden ist, spielt das Internet als Informations- und Orientierungsquelle (meist im Kontext von Multichannel-Vermartkungs- und Vertriebsstrategien) für die Konsumenten eine wachsende Rolle.

Nach dem ersten Hype und dem darauf folgenden Zusammenbruch der „New Economy“ zeichnet sich derzeit eine zweite und wohl auch stabilere Investitionswelle in diesem Bereich ab. Mit wachsender Akzeptanz und Nutzungsintensität des Internet ist dieses Medium nicht nur zu einer der wichtigsten Informationsquellen geworden. Immer mehr Menschen nutzen es auch als Kommunikations-, als Freizeit und als Einkaufsort.

Die Verschmelzung des Internet mit der Unterhaltungs- und der Kommunikationsbranche wird diesen Trend verstärken. Dieser Wandel verändert nicht nur unsere Alltagsroutinen und Raumbezüge, er verändert auch die Anforderungen an die Produzenten, an die Kommunikationsstrategien und an die ästhetischen Maßstäbe und Kompetenzen.

Das Internet ist heute das Medium mit dem Großunternehmen und Massenproduzenten den direkten Kontakt mit ihren Kunden suchen. Auf der zwischenbetrieblichen Ebene schreiten die Möglichkeiten der Unternehmensvernetzung weiter voran.

In dem Maße in dem diese technologischen Umbrüche die Welt der Produktion und des Konsums transformieren, entstehen neuartige Unternehmen und Berufsbilder, die eine Art „elektronisches Handwerk“ hervorbringen werden und Businessmodelle in denen der Konsument in neue Rollen hineinwächst.

Dem produzierenden Handwerk steht als Reaktion auf diese Veränderungen ein ganzes Bündel strategischer Optionen zu Verfügung, die sich sowohl auf die Tradition wie auch die Moderne beziehen:

1. Das Handwerk kann und muss sich auf seine große Tradition besinnen. Diese Option hat ihre Berechtigung, weil es in wichtigen Teilmärkten erfolgreich ist und auch in Zukunft erfolgreich sein wird. Dies muss als Quelle von Kultur und Identität gewahrt und weitergegeben werden. Einzelne sehr professionelle Ansätze der Vermarktung und Bündelung von Kompetenzen und Angeboten sind heute erprobt und erfolgreich.

2. Das Handwerk kann und muss die technologischen Veränderungen und Trends aber auch aufgreifen und alle Möglichkeiten prüfen, die es ihm erlauben die neuen technischen Möglichkeiten so zu nutzen, dass sie Stärken unterstützen (Nähe zum Kunden, Beratungs- und Gestaltungskompetenz, Vorhalten der Produktionskapazitäten) und Schwächen kompensieren (Standorte, hohe Kosten der reinen Unikatfertigung, Begrenzung im Angebot u.a.m.

Das Produktionskonzept der Zukunft, das diesen strategischen Anforderungen genügt, lässt sich wie folgt charakterisieren: es ist

· kundenindividuell
· dezentral
· ressourceneffizient
· partizipativ
· nachhaltig

Seit Mitte der 80er Jahre wird die Zukunft der Produktion und des Konsums vor dem Hintergrund der Veränderungen diskutiert, die sich auch der Verfügbarkeit und den Anwendungsmöglichkeiten der IuK-Technologien ergeben. Die Digitalisierung der Wertschöpfungskette, die Segmentierung der Märkte, die Beschleunigung der Innovationszyklen und die fortgeschrittene Individualisierung und Pluralisierung der Lebensstile sind die treibenden Kräfte für ein Paradigmawechsel. 1984 publizierten Michael J. Priore und Charles F. Sabel vom MIT die Studie „The Second Industrial Divide“ die unter dem deutschen Titel „Das Ende der Massenproduktion“ veröffentlicht wurde. Sie begründen die These, dass im Windschatten der Digitalisierung der Fortschritt auf den Pfad handwerklicher Produktion zurückgeführt werde. Der Computer erlaube es erstmals wieder, dass der Mensch die Kontrolle über den Produktionsprozess erhalte. Die Maschine, die er bediene, werde ihm auf dem neuen digitalisierten, technologischen Niveau wieder untergeordnet.

Voraussetzung für diese digitalen Revolution und die Befähigung von Produzenten und Konsumenten durch „die Maschine“ ist, dass vor der Materialisierung alle Produktdaten (Spezifizierung, Material, Gestalt) und alle Prozessdaten digital zu Verfügung stehen. Auf der Basis der realen Fähigkeiten der Bediener können diese virtuellen Produkte dann nach den Wünschen der Konsumenten verändert und gestaltet werden.

Nicht nur Konstruktion und Entwurf von Produkten, auch die Art und Weise, wie diese Produkte materialisiert werden, bis hin zur Oberflächengestaltung und Ornamentierung, ist technologisch im Umbruch. Die Fortschritte, die im Bereich des Rapid Prototyping seit Jahren gemacht wurden sind beachtlich. Nicht nur der Modellbau und Prototypenbau kommt heute ohne diese Verfahren nicht mehr aus. Es gibt immer mehr Dienstleister, die als Produktions- und Verfahrenspezialisten mit solchen Fertigungsmethoden niederlassen. Und auch wenn die Zahl der Materialen, die für diese Produktionsverfahren eingesetzt werden können derzeit noch begrenzt ist, und manches was wir heute sehen noch unbeholfen und hässlich aussehen mag, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das hässliche Entlein des 2rapid prototyping“ in einen hübschen Schwan Namens „rapid manufacturing“ verwandelt hat und preiswert und seriell Unikate und kleine Serien fertigen kann.

Die Individualisierung von Oberflächen über eingebrannte oder gefräste Fotographien, komplizierte Ornamentale, die mit Hilfe von schnellen 5-achsigen-Fräsen möglich sind und die vielen Möglichkeiten der Oberflächengestaltung mit Hilfe von digitalem Druck oder neuen Spritz- und Gußverfahren, all das ist in der Pipeline und wird uns früher oder später in Gestalt neuer Produkte und Moden begegnen.

Die Frage, ob der zum „Customizer“ gewandelte industrielle Massenproduzent oder das innovative Tischlernetzwerk oder der Designer mit seinem Netzwerk an handwerklichen Zulieferern diesen Markt bedienen wird, das beschäftigt daher nicht nur mich seit längerem.

Es sieht derzeit danach aus, als ob die Nähe zum Kunden sich als der zentrale Wettbewerbsvorteil erweist, wenn die zentrale Fertigung keine Kostenvorteile mehr mit sich bringt.

Dies hat dazu geführt, dass die Protoganisten der industriellen Welt dazu übergegangen sind, die Produktion der Zukunft mit Hilfe von Minifabriken zu planen. Kleine Fertigungseinheiten, Industrieklons, die mobil und nah am Kunden, die individuellen Produkte materialisieren sollen, auf der Basis industriellen Know-hows und zentral und machtvoll beworbener Marken.

Doch noch ist das Spiel offen, und Sie meine Leser werden maßgeblich darüber entscheiden, wie handwerklich oder wie industriell diese Fabrik der Zukunft sein wird.

Die Zukunft liegt in Ihrer Hand. Ich kann über die Zukunft des Handwerks nur nachdenken und schreiben. Aber Sie meine lieben Leser, sie werden darüber entscheiden wie sie tatsächlich aussieht und Sie werden sie gestalten.

Und bevor Sie sich jetzt in Sachen Zukunftsgestaltung an die Arbeit machen, möchte ich noch folgende Bitten an sie richten:

Verbinden sie das Handwerk mit Geist und Zeitgeist. Dies können Sie, wenn Sie im Dialog sind, mit den Kulturschaffenden in ihrem Raum, mit den Gemeinschaften in denen sie leben und mit Ihren Kollegen.

Gewinnen Sie die Herzen der Menschen, indem Sie Werte vorleben und umsetzen. Werte, die Ihre Mitmenschen sich für die eigene Zukunft, für die Zukunft ihrer Kinder und für ein gutes Leben wünschen.

Seien Sie alles, aber niemals langweilig. Erfinden Sie Märchen und Mythen. Erzählen Sie Geschichten über sich, über ihr Unternehmen und deren Produkte. Seien Sie authentisch und lebendig und bleiben Sie bitte Sie selber.