September 05, 2011

CARL OTTO CZESCHKA - Ein Wiener Künstler und die Hamburger Wirtschaft

Bauhütte Hamburg
Carl Otto Czeschka wurde am 22. Oktober 1878 als Sohn des Tischlermeisters Wenzel Czeschka in Wien geboren. Seine Mutter Mathilde geb. Hafner war Näherin und Stickerin. Sie starb an einer Lungenkrankheit, als er fünf Jahre alt war. Schon früh zeigte sich die Begabung des Kindes für das Zeichnen. Bereits als Dreijähriger zeichnete er am liebsten Pferde mit weißer Kreide auf dem mit schwarzem Wachstuch bedeckten Esstisch. Die Pferde in den Straßen Wiens hatten es ihm angetan, insbesondere die Kavallerie mit Marschmusik sah er mit Begeisterung. Größten Eindruck hinterließen bei ihm die Paraden im Frühjahr und zu Kaisers Geburtstag. Seinem Vater durfte er schon früh in der Tischlerwerkstatt für kleine Galanteriewaren tatkräftig helfen. Bei ihm fühlte er sich geborgen, trotz der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Vaters und dem häufigen Wohnortwechsel innerhalb der Stadt. Der Vater arbeitete abends zusätzlich als Bühnenarbeiter in der Oper. Der Onkel, der nach dem Tod der Mutter den Haushalt führte, war Orgelbauer und wurde für Czeschka hinsichtlich der Genauigkeit der handwerklichen Arbeit zum Vorbild.

Eine Schulgeldbefreiung ermöglichte Czeschka den Besuch des Esterhazy-Gymnasiums, zu dessen Lehrern er jedoch kein Vertrauen hatte. Nachdem er als Elfjähriger den Unterricht geschwänzt hatte, um im Museum für Kunst und Industrie Bilder und Bücher zu betrachten, musste er die Schule verlassen, denn der Vater konnte das Schulgeld in Höhe von 20 Gulden nicht aufbringen. Czeschka begann eine Tischlerlehre bei seinem Vater und ging dann zur Realschule. Ab 1891 bereitete er sich auf der Abendschule gezielt auf das Kunststudium vor und finanzierte dies durch eine von seinem Freund Koloman Moser vermittelte Zeichenlehrerstelle bei den Kindern des Erzherzogs Karl Ludwig, des jüngeren Bruders von Kaiser Franz Joseph I.

Nach dem Studium bei Christian Griepenkerl an der Wiener Akademie der bildenden Künste von 1894 bis 1897 lehrte Czeschka dort zunächst als Hilfslehrer und später als Lehrer. Er erhielt schon früh Aufträge des Verlegers Martin Gerlach und der Wiener Druckerei C. Angerer & Göschl.

Die Zusammenarbeit mit den Kollegen Koloman Moser und Josef Hoffmann begann an der 1903 gegründeten »Wiener Werkstätte« (WW) und wurde bis 1914 weitergeführt, auch nachdem Czeschka 1907 an die Kunstgewerbeschule in Hamburg berufen worden war. Seine eigenen handwerklichen Fähigkeiten und Kenntnisse kamen ihm bei seinen Entwürfen für die »Wiener Werkstätte« neben seiner zeichnerischen Begabung und Phantasie sehr entgegen. Seine Arbeiten waren von großer Materialtreue geprägt – gleichgültig ob es sich um Zeichnungen und Grafiken handelte oder um Entwürfe für Schmuck, Besteck und Ziergerät, Stoff-Designs, Holzschnitte, Buchillustrationen, Kalender, Post- und Spielkarten, Schriften, Bühnenentwürfe und Kostüme, Möbel, Bildteppiche und Glaskunstfenster. Zu den Hauptwerken Czeschkas aus seiner Wiener Zeit gehören die Kaiserkassette, ein Geschenk der Skoda-Werke Pilsen an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1905) und das Collier mit Feueropalen im Rahmen der Schmuckabteilung der »Wiener Werkstätte« (1909/1910). Etwa ab 1906 wurde Czeschka an den Entwürfen der »Wiener Werkstätte« für das Palais Stoclet in Brüssel beteiligt, dem Gesamtkunstwerks der »WW« des Architekten Josef Hoffmann. Dort gestaltete er u.a. sieben Fenster mit allegorischen Darstellungen für den Musiksaal des Palais und die beiden Marmorreliefs »Erzengel Michael« und »Allegorische Frauenfigur auf der Mondsichel« für die Halle des Palais.

Mit der Arbeit für den Verlag von Martin Gerlach (Gerlach & Schenk, Gerlach & amp; Wiedling) begründete Czeschka einen neuen wichtigen Schwerpunkt in seinem Werk, die Grafik- und Buchkunst. »Die Nibelungen« von Franz Keim, ein nahezu quadratisches Bändchen mit nur 68 Seiten, gilt als eines der schönsten Jugendstil-Bücher. Es erschien bei Gerlach & amp; Wiedling in mehreren Auflagen (1909, 1920, 1924), 1970 bei Parkland und später im Insel-Verlag.

Czeschka trennte sich 1907 von seiner Vaterstadt, um der Berufung nach Hamburg an die Kunstgewerbeschule am Steintorplatz zu folgen. Der Wiener Kritiker Ludwig Hevesi bezeichnete den Weggang Czeschkas als »Unglück« für Wien. Czeschka versorgte seinen Vater bis zu dessen Tod 1915 finanziell, damit dieser nicht länger in Geldsorgen leben musste.

1909 begegnete Czeschka dem Weltreisenden Julius Konietzko und freundete sich mit ihm und seiner Familie an. Konietzko brachte von seinen Exkursionen Kunstwerke aus Afrika mit nach Hamburg, u.a. für den Aufbau einer Sammlung im Neubau des Museums für Völkerkunde an der Rothenbaumchaussee (1908–1912). Czeschka war fasziniert von der Kunst des schwarzen Kontinents und begann selber, ethnologische Objekte zu sammeln, die ihn auch in seiner eigenen Arbeit inspirierten.

Noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs erhielt er Aufträge der 1833 gegründeten Hamburger Schriftgießerei Genzsch & amp; Heyse und beteiligte sich mit Plakaten an den Vorbereitungen der großen Tapetenausstellung 1911 in der Ferdinandstraße / Alsterdamm (seit 1947 Ballindamm). Ebenfalls 1911 ermöglichte Justus Brinckmann im Museum für Kunst und Gewerbe eine große Ausstellung zu Ehren der beiden Professoren Richard Luksch und Carl Otto Czeschka. Interessant ist es, dass in diesem Museum 1912 eine Ausstellung über Schaufenstergestaltung stattfand. Später wurde Czeschka von der »Detaillistenkammer« zum Mitglied der Oberjury für die Hamburger Schaufensterwettbewerbe berufen.

Die für ein halbes Jahr (von Mai bis Oktober 1914) konzipierte große internationale Messe des Buchgewerbes »BUGRA« in Deutschlands führender Buchstadt Leipzig, muss mit ihren Pavillons, Hallen und lebenden Werkstätten beeindruckend gewesen sein. Der Katalog des Österreichischen Hauses zeigte Czeschkas Holzschnitte von der k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Ihm wurde der Königlich-Sächsische Staatspreis verliehen. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 1. August wurde die BUGRA vorzeitig beendet.

Der aus Dresden nach Hamburg berufene Fritz Schumacher hatte sich schon sehr früh zum Ziel gesetzt, für die Schule am Steintorplatz Erweiterungsmöglichkeiten in einer Kunstgewerbeschule neuen Typs zu schaffen. Sie sollte moderne und großzügige Werkstätten für alle künstlerischen Betätigungen erhalten. An der Ausstattung des Gebäudes beteiligte er die an der Schule tätigen Professoren – u.a. Carl Otto Czeschka, den Bildhauer Richard Luksch und den Maler Willy von Beckerath.

1913 wurde der Neubau der Kunstgewerbeschule am Lerchenfeld, die heutige Hochschule für Bildende Künste fertig. Von Czeschka stammte der Entwurf für das große Schmuckfenster »Die Botschaft der Schönheit« in der Treppenhalle, das ebenfalls zu seinen Hauptwerken zu zählen ist. 30 Jahre, von 1913 bis 1943, unterrichtete Czeschka am Lerchenfeld. Er war ein einflussreicher Lehrer. Seine penible Genauigkeit war bekannt und respektiert, aber auch seine Fähigkeit, die Schüler ihren Begabungen entsprechend zu fördern. Zahlreiche erfolgreiche Grafiker beriefen und berufen sich darauf, seine Schüler gewesen zu sein.

Zwei Jahre nach dem Lerchenfeld-Fenster entstand im Neubau der Gewerbekammer am Holstenwall (heute Handwerkskammer) die Fensterserie »Die Handwerke«. Es war Fritz Schumacher ein zweites (und damit leider letztes) Mal gelungen, Czeschka für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Inzwischen war den Professoren vom Lerchenfeld verboten worden, Aufträge für Staatsbauten anzunehmen. Weil die Fenster im Großen Saal des Gewerbehauses jedoch durch Stiftungen von Innungen und Verbänden ermöglicht wurden, konnte Czeschka den verschiedenen Handwerksberufen 1915 ein Denkmal setzen. Von den Bombenangriffen im Juli 1943 wurde zwar das Gewerbehaus weitgehend verschont, jedoch gingen die Fenster durch den Explosionsdruck zu Bruch. Ebenfalls zerstört wurden zwei Fenster-Triptychen Czeschkas in der Gnadenkirche St. Pauli-Nord.

Das Fenster der Kunstgewerbeschule war rechtzeitig ausgebaut und eingelagert, dann allerdings vergessen worden. Der große Schumacherbau am Lerchenfeld wurde weitgehend zerstört und mit ihm Czeschkas Atelier und der Klassenraum. Nur dem beherzten Einsatz von zweien seiner Schüler, Helmut Scaruppe und Norbert Bork, ist es zu verdanken, dass die umfangreichen Arbeiten, die Czeschka am Lerchenfeld sorgfältig aufbewahrt hatte, aus den Trümmern gerettet wurden. Ihnen ist ferner zu verdanken, dass der künstlerische Nachlass relativ vollständig erhalten geblieben ist.

Ab 1918 arbeitete der leidenschaftliche Zigarrenraucher Czeschka für seinen größten und wichtigsten Auftraggeber, die Zigarrenfabrik L. Wolff, die Louis Wolff 1867 in Hamburg gegründet hatte, und deren Vertriebsfirma HACIFA mit Läden bevorzugt in 1a-Lagen. Nach seiner Emeritierung und nach dem Krieg beschäftigte sich Czeschka mit dem Wiederaufbau und Umbau der HACIFA-Läden. Als Czeschka 1958 seinen 80. Geburtstag feierte, wurden die Schaufenster aller ca. 60 HACIFA-Läden entsprechend dekoriert – und fotografiert.

Anfang der zwanziger Jahre erhielt Czeschka von dem Bremer Kunstsammler und Exportkaufmann Sigmund Gildemeister den Auftrag, für dessen neu errichtete Villa im Stadtteil Hamburg-Hochkamp einen Gobelin zum Thema »Tausendundeine Nacht« zu entwerfen. Die Weberin Martha Heller übernahm gemeinsam mit fünf anderen Frauen die Webarbeit. Martha war die Witwe von Hans Heller, einem mit Czeschka befreundeten Professor am Lerchenfeld, der im Ersten Weltkrieg gefallenen war. Sie entwickelte bei der Vorbereitung des Gobelins die »schlitzlose Gobelintechnik«, die sie sich beim Reichspatentamt unter der Nr. 447973 schützen ließ. Als der Gobelin 1926 fertig war, heirateten die beiden. Der Gobelin wurde mehrfach auf Ausstellungen und 1955 auch im Foyer der Hamburgischen Staatsoper gezeigt. Der 9 qm große Gobelin befindet sich weiterhin im Besitz der Familie des Auftraggebers Gildemeister. Der Karton, die Vorlage des Bildteppichs, gelangte in das Museum für Kunst und Gewerbe.

Ein großer persönlicher Schicksalsschlag für den Künstler war im August 1951 der Tod seiner Frau Martha, mit der er seit den zwanziger Jahren zusammengelebt hatte. Freunde kümmerten sich um ihn, u.a. auch die Witwe seines im April 1952 verstorbenen Freundes Julius Konietzko. Kurz vor seinem Tod am 30. Juli 1960 heiratete Czeschka Elfriede Konietzko. Sein Nachlass konnte auf diese Weise durch sie und nach ihrem Tod in den siebziger Jahren durch ihren Enkel Henner Steinbrecht an das Museum für Kunst und Gewerbe übergeben werden.

Text: HELLA HÄUSSLER 
Bearbeitung: Billbrookkreis e.V. 
Bild: Karton zu einem Schmuckfenster für die Handwerkskammer Hamburg;
Foto: Museum für Kunst und Gewerbe

Zur Ausstellung in der Handelskammer zu Hamburg erscheint ein Katalog

Juli 28, 2011

Lex Eigennutz

Schleswig-Holstein schafft den Denkmalschutz ab
„Der Gedanke des Denkmalschutzes hat einen schweren Stand. Viele Eigentümer sehen nicht ein, warum sie ihr Gebäude pfleglich behandeln sollen, und auch die normale Bevölkerung tut sich schwer damit, Gebäude jenseits der „schönen“, historischen Stile, etwa Bauten der Industrialisierung oder der Moderne, als denkmalwürdig wahrzunehmen. Hatte die von Dieter Hoffmann-Axthelm vor elf Jahren erhobene neobürgerliche Forderung zur „Entstaatlichung der Denkmalpflege“ noch bundesweite Kritik vieler Fachleute ausgelöst, so wird heute nahezu unbemerkt von der „großen“ Öffentlichkeit der Denkmalschutzgedanke in Schleswig-Holstein ausgehebelt. Denn hier wird zur Zeit auf Druck der FDP das Denkmalschutzgesetz einseitig zugunsten privater Interessen und zum Nachteil öffentlicher Anliegen geändert – als Vorbild für andere Bundesländer?“
Die Autorin Ira Mazzoni hatte dagegen in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung vom 23. Juli 2011 protestiert. Wir dokumentieren eine für BauNetz  erweiterte Fassung ihres Textes. (-tze)
Gut Wulksfelde Fassadenpreis
"Es ist der zweite Anlauf zur Demontage des Denkmalschutzgesetzes in Schleswig-Holstein. Und die Zeit drängt. Im kommenden Mai sind Neuwahlen. Bis dahin regiert die Kieler CDU-FDP-Koalition mit einer Stimme Mehrheit. Noch vor der Sommerpause wurde die von der FDP-Fraktion – nicht vom Regierungs-Kabinett – eingebrachte Gesetzesnovelle in erster Lesung diskutiert. Nach der Sommerpause soll das Vorhaben dann zügig vorangetrieben werden. Vordergründig geht es um „Modernisierung“, „Entbürokratisierung“ und „Beschleunigung der Verfahren“ – tatsächlich um die Aufhebung des Denkmalschutzes mit Hilfe eines umständlichen, widersprüchlichen, ungenauen Gesetzes, das den Verwaltungsgerichten viel Arbeit machen wird.

Modern im Sinne der FDP heißt: Die Eigentümerrechte sollen gestärkt werden. Wirtschaftliche, gewinnorientierte Interessen der Denkmaleigentümer sollen Umfang und Art aller denkmalerhaltenden Maßnahmen diktieren. Damit negiert der vorliegende Gesetzesentwurf die Grundlage aller Denkmalschutzgesetze: Geschützt werden Bauwerke gemeinhin „im öffentlichen Interesse“. Ohne dies erübrigt sich die sachliche, justiziable Begründung von Denkmalen. Aus dem übergeordneten „öffentlichen Interesse“ ergibt sich prinzipiell die Erhaltungspflicht der Eigentümer mit einschränkender Wirkung ihrer Eigentumsrechte, wohlgemerkt immer im Rahmen der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit. Denkmalpflege, das hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, ist eine „Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang“.

Die Kieler Regierung aber will das Schicksal der Denkmäler ganz in die Hände der Eigentümer legen: „Eigentümer sind unsere wichtigsten Denkmalpfleger“, erklärte Kultusminister Ekkehard Klug anlässlich der ersten Lesung. Das ist prinzipiell richtig – nur was ist, wenn der Eigentümer sich nicht kümmert? Wenn seine Gewinnmaximierungsabsichten zum Abriss des Denkmals führen? Nach dem Gesetzentwurf kann er dafür noch nicht einmal mehr strafrechtlich belangt werden.

Für die Förderung des Eigennutzes wird das ganze System Denkmalpflege ausgehebelt. Dabei hat Schleswig Holstein schon ein restriktives, konstitutives Denkmalschutzgesetz. Danach stellt zwar die Fachbehörde, das Landesamt für Denkmalpflege, die Denkmalwürdigkeit fest, aber erst wenn der Eigentümer, Besitzer oder ein Verfügungsberechtigter zustimmt und einen entsprechenden Antrag auf die Eintragung ins Denkmalbuch stellt, ist das Bauwerk auch nach dem Gesetz geschützt. In Zukunft soll nur noch der Eigentümer antragsberechtigt sein. Die Fachbehörde, die den Denkmalstatus aufgrund allgemeiner wissenschaftlicher Konventionen zu erkennen, zu beschreiben und im Denkmalbuch festzuhalten hat und später über die Verträglichkeit beantragter Baumaßnahmen kritisch entscheiden muss – auch mit der Konsequenz steuerlicher Begünstigungen des Eigentümers –, diese Instanz wird zum Nichtstun verdammt.

In Zukunft sollen die Bürgermeister und Landräte, die sogenannten Unteren Denkmalschutzbehörden, allein über das Schicksal der Denkmäler entscheiden. Es gibt keine Zustimmungsregelung, keine Einvernehmensregelung. Die obere Denkmalschutzbehörde – das Landesamt – muss nur im Notfall informiert werden, wenn die untere Denkmalschutzbehörde sich nicht zu helfen weiß.

Nach dem vorliegenden Entwurf müsste dieser Fall ständig auftreten. Denn die Unteren Denkmalschutzbehörden verfügen selten über fachlich geschulte Mitarbeiter. Das neue Gesetz aber mutet den kleinen Ämtern in den Städten und Gemeinden zu, nicht mehr über die Verträglichkeit von Veränderungen am Baudenkmal zu entscheiden, sondern zu prüfen, ob und in wieweit ein wie auch immer bestimmter Denkmalwert vom Bauvorhaben berührt wird. Das Denkmal wird so vorab gedanklich bereits in wesentliche und unwesentliche wertbestimmende Bestandteile zergliedert. Genehmigungspflichtig sind nur noch Maßnahmen (Umbau, Ausbau, Abriss...), wenn diese eine „Gefahr“ für den wie auch immer definierten Denkmalwert darstellen.

Die Ämter haben den Bauanträgen zuzustimmen, solange der ominöse Denkmalwert nicht „erheblich“ beeinträchtig wird. Vorab stellt die Regierung fest, dass „geringfügige“ Veränderungen gar nicht bewilligt werden müssen. Insbesondere wenn es um Baumaßnahmen geht, die die Energie-Effizienz oder die Barrierefreiheit betreffen. Das ist die Freigabe von Plastikfenstern, Wärmedämmverbundsystemen, Solarpaneelen, gläsernen Außenaufzügen oder Metallrampen aller Art. Kurz: für alle billigen Lösungen. Denn nach dem neuen Gesetz hat die Wirtschaftlichkeit höchste Priorität. Mit der Ausschaltung des Landesamtes für Denkmalpflege und den neuen Prämissen bei Vollzug des Gesetzes wird von vorneherein verhindert, dass auf der Baustelle mit Bauherren und Architekten um bessere, einfühlsamere, langfristig verträgliche Lösungen gerungen wird. Insofern ist diese Gesetzesnovelle auch ein Architektur-Verhinderungsgesetz.

Der Gesetzentwurf schafft zwei Sondergruppen: Welterbe-Stätten (mit höherem Schutzumfang) und Bauten nach 1950 (mit erheblichen Einschränkungen). Bei letzteren behält sich der Ministerpräsident als oberster Denkmalschützer die Entscheidung über die Denkmalwürdigkeit vor. Eine Entscheidung ohne Fach-Autorität, die in der Folge nicht justiziabel ist. Schon die Epochen-Grenze 1950 ist reine Willkür. Auch bei Umbauten (geplante Abbrüche eingeschlossen) soll der Grundsatz der Praktikabilität gelten. Dieses Gesetz ist eines für den Staat und die Kommunen, die in großem Umfang über Verwaltungsbauten, Universitäten, Schulen und Kindergärten aus der Nachkriegszeit verfügen, diese ohne nennenswerten Bauunterhalt heruntergewirtschaftet haben und nun neuen Hygiene-, Sicherheits- und Energie-Standards anpassen müssen. Die Auseinandersetzungen um das Kieler Schloss, die Christian-Albrechts-Universität und das als hässlich diffamierte Rathaus in Elmshorn haben wohl zu dieser Selbstbedienungsklausel geführt.

Auch große Wohnungsbaugesellschaften müssten nicht mehr mit dem Einspruch von Denkmalschützern rechnen, wenn sie ihren Bestand ökonomisch knapp kalkuliert sanieren wollen. Die Welterbe-Klausel sollte die UNESCO aufhorchen lassen, da sie implizit darauf hinweist, dass es um den Denkmalschutz im nördlichsten Bundesland ansonsten schlecht bestellt ist und somit Grundlagen der Welterbe-Konvention nicht erfüllt werden. Die-50er-Jahre-Klausel betrifft das Erbe einer ganzen Epoche, das auch in anderen Bundesländern mit dereguglierten Denkmalschutzgesetzen akut bedroht ist. Pessimisten wie Bernd Vollmer vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege sehen schon die für unsere Demokratie so prägende Zeit nahezu ohne architektonische Zeugnisse aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden.

Der Gesetzentwurf für Schleswig-Holstein setzt darüber hinaus dem Bereichs- und Umgebungsschutz enge Grenzen. Beschränkt auf wenige, kurze Blickachsen, haben weder Groß-Investoren noch Windpark-Betreiber Einwände zu fürchten. Auch dürfen die Nachbarn von Denkmaleigentümern fürderhin ihren Baumarkt-Fantasien freien Lauf lassen. Ensembleschutz war gestern. Abgeschafft wird auch die Gartendenkmalpflege – mit Ausnahme berühmter Schlossanlagen. Damit werden Hürden für Eigentümer und Investoren beseitigt, die in Stadtparks, Wallanlagen, Villenquartieren oder Siedlungen bauen beziehungsweise nachverdichten wollen. Der Begriff der Kulturlandschaft ist dem Gesetzentwurf so und so fremd.

Armes Schleswig-Holstein! Warum nicht gleich ein Antrag zur Aufhebung des Denkmalschutzgesetzes? Der Protest der Bürger wäre gewiss. Und der im Prinzip wertkonservative Koalitionspartner CDU hätte keine Alternative zu einer klaren Ablehnung. So ist jedoch zu befürchten, dass das nördlichste aller Bundesländer aus Koalitions-Räson und des kurzfristigen Machterhalts willen ein absurdes Denkmalschutzgesetz erhält, das das aufgibt, was es zu schützen vorgibt. In vielen Bestimmungen willkürlich und den Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz verletzend, betrifft diese Gesetzesnovelle auch den sozialen Frieden in unserem Land und nicht nur die Baukultur, für die Denkmäler aller Epochen Maßstab und Ansporn sind."

Text: Ira Mazzoni

Foto: KulturGut - Friedrichstadt / Eider;  Ceative Commons License

Juli 22, 2011

Friedrichstadt ehrte seinen fünften Ehrenbürger

Karl Wilhelm Michelson 
*9.7.1921 - +15.9.2012
Bürgermeisterin Regine Balzer: "Ihre Arbeit ist so wertvoll"

Am 9. Juni 2011 wurde Karl Wilhelm Michelson zum Friedrichstädter Ehrenbürger ernannt - eine Auszeichnung, die vor ihm erst vier anderen Bürgern gewährt wurde. In einer 90-minütigen Sitzung dankten ihm die Bürgermeisterin und der Stadtrat für den Aufbau des Friedrichstädter Stadtarchivs.

Museumsleiterin Christiane Thomsen und Jörn Norden ehrten den frisch gebackenen Ehrenbürger. In ihren Reden beschrieben sie den Lebensweg des Stadtchronisten. Karl Wilhelm Michelson wurde am 9. Juli 1921 geboren und kehrte nach seiner Ausbildung zum Steuerberater in Husum in sein Haus am Mittelburgwall in Friedrichstadt zurück. Christiane Thomsen erinnerte daran, dass der Stadtchronist schon in der Grundschule eine Leidenschaft für die Stadtgeschichte entwickelte. Thomsen: "Historische Fakten und Zahlen haben Dich auch in Deiner Freizeit ständig begleitet. Euer Haus hat oft genug wie ein Altpapierlager ausgesehen - vor allem, wenn alte Zeitungen getrocknet werden mussten." Als ehrenamtlicher Stadtarchivar sei Michelson immer wieder mit der Bahn nach Schleswig ins Landesarchiv im Prinzenpalais gereist. Mehr als 700 Beiträge, darauf wies Jörn Norden hin, habe Michelson zu Stadtgeschichte geleistet. Christiane Thomsen: "So umfassend und uneigennützig wie Karl Michelson hat wohl selten jemand seiner Stadt gedient." In der Gesellschaft für Friedrichstädter Stadtgeschichte habe er ein Forum für seine Leidenschaft gefunden.

Bürgermeisterin Regine Balzer betonte in ihrer Rede die große Bescheidenheit des Geehrten: "Sie haben immer im Stillen gearbeitet und ich weiß, wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätte auch die heutige Ehrung in einem kleineren Rahmen stattgefunden. Sie haben aus innerer Überzeugung, ohne offiziellen Auftrag und ohne finanzielle Gegenleistung das wissenschaftliche Fundament für das Friedrichstädter Stadtarchiv gelegt. Durch ihre Arbeiten über die Geschichte unserer jüdischen Mitbürger ist es Ihnen gelungen, unser Bewusstsein dafür zu schärfen, wie wichtig ein respektvolles Miteinander ist. Sie haben bewiesen, dass ein gedeihliches Miteinander möglich ist, wenn die Achtung vor dem Anderen nicht verloren geht."

Friedrichstadts neuer Ehrenbürger dankte dem Publikum für dessen stehenden Applaus mit den Worten: "Es wäre mir das Liebste, wenn Sie sich erst mal alle wieder hinsetzen." Bei den Laudatoren Christiane Thomsen und Jörn Norden bedankte er sich mit den Worten: "Ich bewundere Ihre kriminalistischen Fähigkeiten. Ich wusste wirklich nicht, dass ich so viel gemacht habe." Eine Überraschung hielt noch Erhard Brauer, ein Nachbar des Geehrten, bereit: In unmittelbarer Nähe des Michelson-Hauses ließ er eine umgestürzte Linde durch eine neue ersetzen. Zum Abschluss der Feierlichkeiten lud die Bürgermeisterin zu einem Umtrunk.

Text: Regine Balzer / Andreas Grzybowski
pic: Wernfried Knudtsen

März 11, 2011

Barthold Heinrich Brockes und Georg Philipp Telemann


„Gieb jedem Instrument das was es leyden kann,So hat der Spieler Lust, Du hast Vergnügen dran“ Telemann

Barthold Heinrich Brockes und Georg Philipp Telemann

oder:

die Verbürgerlichung des Barock

Anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung „Telemann in Hamburg 1721-1767“ im Hamburger Rathaus - initiiert von der Hamburger Telemann-Gesellschaft in Kooperation mit Marcard pro Arte - hielt der Telemannkenner Prof. Dr. Peter Klein eine Hommage an den großen Komponisten, dessen Werk und Schicksal untrennbar mit dem der Freien und Hansestadt verbunden ist. Wir veröffentlichen hier Inhalte seiner Publikation sinngemäß:

Haydn – Mozart – Beethoven sind ein Dreiklang, der jedem kulturgeschichtskundigen Deutschen zutiefst vertraut ist. Die „Klassik“ und „Wien“ sind für die Musik das, was „Weimar“ für die Literatur ist, Symbole unserer „Leitkultur“. Im Zeitalter der Massenkultur denkt jeder sofort an Mozart, an „Wolfgang Amadé, das Engelskind“, den Heiteren, unerschöpflich Verspielten oder an Beethoven, den Titan und Gottsucher. Und denkt man in diesem Zusammenhang auch an Haydn? Das ist nicht mehr so klar! Dieser angestellte Musiker auf Schloß Esterhaza war zwar ihr Vorläufer, Mentor und Lehrer. Aber damit hat es sich dann auch. Mit Haydn werden - sehen wir mal von unserer Nationalhymne ab - keine weltbewegenden Themen, Lieder oder „Ohrwürmer“ assoziiert. Denn „Genie“ ist ja nach allgemeinem Sprachgebrauch: von Natur aus „überströmend“, ums Absolute „ringend“. Ausnahmenatur jedenfalls. Bei „Papa Haydn“ hingegen riecht es eher nach redlicher Arbeit, nach Mühsal und Bürgerlichkeit.

Bereits ein gutes Halbjahrhundert früher schenkte das Zeitalter des „Barock“ der Musik eine ähnliche Trias. Auch sie war – allerdings lockerer - mit einer Stadt, diesmal mit Hamburg, verbunden. Ich denke an Bach, Händel und Telemann! Bach war unbestrittener Mittler zwischen Mensch und Gott, Händel ein Genie ausdrucksvollen Wohlklangs, - und dann gab es auch noch Telemann, der – in diesem Punkt „Papa Haydn“ ähnlich - als armer „director musicis“ in die Geschichte einging. Doch wird man Telemann nicht gerecht, wenn man ihn als Bürger abwertet, dem die Kunst nur zum reinen Broterwerb diente, und den bestenfalls handwerkliche Tüchtigkeit auszeichnete - ein musikalisches Pendant zu den Pfeffersäcken, „Genie“ nur in der Selbstvermarktung (Stichwort „Tafelmusik“)?

Denn erstens: „Bürgertum“ kann in diesem Zusammenhang nicht abwertend gebraucht werden. Die „Verbürgerlichung“ war für die Aufklärung notwendig und Voraussetzung für den Abstieg des überholten Feudalismus. Aufklärung und Verbürgerlichung waren außerdem notwendige Übergänge zur „Klassik“, die in Weimar zum Gipfel der Menschheit wurde. Bürgerlicher Bildung sei Dank!

Die Geisteskultur in dieser Phase vor der drohenden spirituellen Verspießung zu bewahren, diese Ehre gebührt – ausgerechnet Hamburg? Jedenfalls der für Hamburgs Geistesgeschichte zentralen Gestalt: dem Ratsherrn, Diplomaten und Dichter Barthold Hinrich Brockes. Er war es, der, wie gut belegt, Telemanns Berufung 1721 maßgeblich betrieb. Fast gleichaltrig, standen die Zeitgenossen schon vorher in Kontakt und waren einander in gegenseitiger Hochachtung verbunden, die in Hamburg zur Freundschaft wurde. Telemann vertonte schon vor seinem Ruf nach Hamburg Brockes´ Gedichte, und dieser stellte ihn, den „berühmtesten Componisten dieser Zeit“, noch über Orpheus, bekann mit der Veröffentlichung seines Hauptwerkes im selben Jahr als jener kam: jenes neun Bände von je mehr als 500 Seiten umfassendes Werk namens „Irdischen Vergnügens in Gott“. Diesem Brockes ist es zu verdanken, dass auch die Bürger der Stadt Hamburg den Wert ihres neuen Musikdirektors erkannte und ihn so freundlich aufnahmen, dass Telemann in einem Lebenslauf von 1744 voller Dankbarkeit schreibt, dass Hamburg sich ihn „durch Liebe und Ehre so gar zu eigen (machte), dass er sie bey guter Gesundheit mit Vergnügen und zärtlichster Erkenntlichkeit bewohnte“.

Brockes´ geistesgeschichtliche Stellung war nämlich komplexer, als es einerseits die “Sozialgeschichte der Aufklärung“, andererseits die Literaturgeschichte nahe legen. Dieser gilt als Dichter des „Barock“. Aber ist er das wirklich? Ist er, der 1680 geboren wurde und 1747 starb, wirklich den Dichter "des ersten Barock" zuzurechnen? Einem Martin Opitz (+1639), Andreas Gryphius (+1664), Daniel Casper von Lohenstein (+1683), Angelus Silesius (+1677) oder dem Spätling Quirinus Kuhlmann (+1689)? Hat Brockes Werk tatsächlich Ähnlichkeiten mit der diesen frühen Barock charakterisierenden bedingungslosen Unterwerfung unter die göttliche Vorsehung, die sich vorwiegend als Krieg, Leid und Zerstörung offenbarte und jede menschliche Existenz als „zernichtende“ vanitas erscheinen lässt? Weist Brockes Werk wirklich die asketische und emphatische Spannung auf, das Hin- und Hergerissen sein zwischen Diesseits und Jenseits, diese jenseitsgierige Sucht nach Einklang mit der universalen und objektiven göttlichen „ordo“?

Nein: Brockes erfährt diesen „ordo“ – anders diese Vertreter des frühen Barock - auf eine ausgesprochen lustvolle Weise. Er interpretiert ihn als eine schöne Ordnung, in der sich Gott dem Menschen als der Allgütige offenbart, als Ausdruck einer unendlichen, liebevollen Fürsorge, so dass man dafür Gott bewundern, ihm dafür danken müsse. Brockes tut dies mit seiner Kunst in einer so positiven Ausschließlichkeit, dass sie einem modernen Aufklärer wie Arno Schmidt als „reinste Bockssatyre“ vorkommt, als „kanzlistenmäßiges“ Christentum von der "plattesten Sorte der Zeit". Arno Schmidt: „Man verehrt Gott mit hausbesitzerhafter Sicherheit, gleichsam wie den absolut verlässlichen Vorsitzenden seines Vermieterverbandes (!).“ Und weiter: das wirke allzu „naiv und grotesk“ und ließe sogar Zweifel an Brockes Ehrlichkeit aufkommen, selbst wenn es so „niederschmetternd redlich gemeint“ gewesen sei.

Allerdings: Wirklich naiv war Brockes nicht. Er zieht gegen die kriegerische „Ehr“ – Sucht der absolutistischen Herrscher seiner Zeit zu Felde und formuliert das Theodizee-Problem humorig mit Hilfe einer Parabel über einen faulen Zahn. Seine (nach Schmidt: „ängstlich-trockene“) „Anleitung zum gottseligen (korrekt „vergnügten und gelassenen“) Sterben“ war von theologischem Rang. Und mit wenigen Worten lotet er in seiner Klage „auf Seinen krancken und sterbenden Sohn“ schwierigste seelische Tiefen aus.

Es handelt sich um einen durchaus aufklärungsgemäßen „Deismus“. Einen Deismus aber, der sich nicht auf die Plattheiten der „zweiten“ Aufklärung beschränkt, die ein Vulgärmaterialismus charakterisiert und die sich nicht zu Schade ist, zum Ratgeber für die Wehwehchen des Alltags zu werden. Brockes Spiritualität ist noch voller Ernsthaftigkeit und von der ehrlichen Frage nach Gott durchdrungen. Und er gibt diese Ernsthaftigkeit über bedeutende Vermittler wie Hermann Samuel Reimarus, Moses Mendelssohn oder Gotthold Ephraim Lessing an die großen Denker des sich vollendenden bürgerlichen Zeitalters weiter, bei denen sich die objektive Transzendenz des göttlichen ordo in Immanuel Kants humanzentrierte Theorie der Vernunft verwandelt, woraus sich für den Neuhumanismus die radikale Verpflichtung eines jeden Menschen ergab, durch (Selbst-)Bildung „seinem Wesen Wert und Dauer zu verleihen“ (W. v. Humboldt).

Diese Nähe zum göttlichen ordo sucht auch Telemann zu bewahren; nicht, wie Bach, durch natürliche Gnade; auch nicht wie Händel im Durchgang durch die Tiefen der Krankheit; sondern durch eine lebenslange Bindung an die musikalische Objektivität des strengen Kontrapunkts. So wie Brockes den Kosmos mit Hilfe der Sprache im Menschen spiegelt, möchte Telemann die kosmische Ordnung im Reich der Töne sichtbar machen: Mit allen Varianten, Techniken, Farben und Ausdruckformen, die ihm zur Verfügung stehen. Dies schließt den Ausdruck von Emotion zwar ein, bleibt aber immer an eine feste Form gebunden und wird so auch „lehrbar“. Eine Lehrbarkeit, die sich zwar der Gefahr bildungsbürgerlicher Trivialisierung aussetzt. Aber eine Trivialisierung, der wir in der romantischen Gegenbewegung, die Musik als reines Gefühl begreift, noch weit öfter begegnen. Positiv gewendet ließe sich also sagen: Telemanns Musik ist zuchtvolle Methode, Vorbild und Appell, sich bei der nunmehr jedem Menschen gestellte Aufgabe der Selbst-Bildung nicht mit Dilettantismus und subjektiver Beliebigkeit zu begnügen, sondern in aufgeklärter Autonomie dem eigenen Selbst Wesentlichkeit und Dauer zu verleihen.

Foto: (copyright) Wernfried Knudtsen - 25840 Westermarktstrasse 2
Text - Bearbeitung: Andreas Grzybowski
Download: KulturGut - Friedrichstadt